01 Januar

Ankleiden von Dienstkleidung als Arbeitszeit

Die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten wird in Deutschland über Arbeitszeitverordnungen des Bundes oder der Länder geregelt. In Nordrhein Westfalen unterliegt z.B. die regelmäßige Arbeitszeit der Beamten einer Staffelung nach Alter und der Berücksichtigung des Vorliegens einer Schwerbehinderung. So wird das Arbeitszeitrecht der Beschäftigten im öffentlichen Dienst ebenfalls zunehmend durch Europarecht beeinflusst. Dem EuGH ist es beispielsweise zu verdanken, dass unter Berücksichtigung des Artikel 2 Nr. 1 der Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23.11.1993 (RL 93/104/EG) der Bereitschaftsdienst als reguläre Arbeitszeit anzusehen ist.

EuGH, Urteil vom 03.10.2000 – C 303/98 –

So steht regelmäßig in Streit, ob dienstvorbereitende Handlungen, wie z.B. das An- und Ablegen von Dienst- oder Arbeitskleidung, zur Arbeitszeit zu rechnen sind. Dabei wäre zunächst zu differenzieren, ob es sich im betreffenden Fall um einen Arbeitnehmer oder einen Beamten handelt.


Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist das Ankleiden vorgeschriebener Dienstkleidung im Betrieb nicht lediglich fremdnützlich und damit nicht Arbeitszeit, wenn sie genausogut zu Hause angelegt und ohne besonderes auffällig zu sein, auch auf dem Weg zur Arbeitsstätte getragen werden kann. Auch der BAG unterscheidet daher im Rahmen einer Interessenabwägung, welchen Bedürfnissen das Anlegen einer Dienstkleidung dient.

BAG, Beschluss vom 10.11.2009 – 1 Abr 54/08 –

Auch die Verwaltungsgerichte hatten sich zunehmend mit der Frage auseinanderzusetzen, ob dienstvorbereitende Handlungen für die Beamtinnen und Beamten gleichfalls als Arbeitszeit anzusehen sind.


Eben diese Frage stellte sich auch ein Polizeibeamter des Wach- und Wechseldienstes in Nordrhein-Westfalen, der die Zeiten für das An- und Ablegen der Polizeiuniform sowie der persönlich zugewiesenen Ausrüstungsgegenstände vor Schichtbeginn bzw. nach Schichtende als Arbeitszeit anerkennt wissen wollte.

So hatten das Verwaltungsgericht Münster und Aachen unisono entschieden, dass das Aufrüsten des Polizeibeamten vor Schichbeginn und das entsprechende Abrüsten nach Schichtende ebenfalls zum regulären Dienst eines Polizeivollzugsbeamten im Wach- und Wechseldienst gehöre. Das Verwaltungsgericht Aachen begründete dies insbesondere mit dem Hinweis, dass der Polizeibeamte auf Grundlage der Dienstkleidungsordnung dazu verpflichtet wäre, bei Dienstbeginn seine Zivilkleidung ab und seine Dienstkleidung anzulegen. Der Polizeibeamte habe vom Dienstherrn die konkretisierte Pflicht auferlegt bekommen, den Polizeidienst aufgerüstet zum Schichtbeginn anzutreten, so dass der Beginn der Arbeitszeit nicht erst der Antritt der Schicht, sondern bereits der Beginn der notwendigen Aufrüsttätigkeit sei. Das gleiche gelte für die Abrüstzeiten nach Schichtende.


VerwG Münster, Urteil vom 01.017.2010 – 4 K 1753/08 –
VerwG Aachen, Urteil vom 10.01.2008 – 1 K 469/07 -


Die Entscheidung:

Darauf aufbauend hat nunmehr das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein Westfalen mit Urteil vom 02.12.2010 unter dem Aktenzeichen 6 A 1546/10 und 6 A 979/09 entschieden, dass zwar die persönlich zugewiesenen Aufrüst- und Abrüstzeiten jedoch nicht das An- und Ablegen der Polizeiuniform als Arbeitszeit anzusehen sei.


OVG NW, Urteil vom 02.12.2010 – 6 A 1546/10-
OVG NW, Urteil vom 02.12.2010 – 6 A 979/09 -

Der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichtes begründet dies insbesondere mit einer vorzunehmenden Interessenbewertung, die sich an dem beamtenrechtlichen Dienst- und Treuverhältnis zu orientieren habe.


Das An- und Ablegen der persönlich zugewiesenen Ausrüstungsgegenstände erfolge allein im Interesse des Dienstherren, während das An- und Ablegen der Polzeiuniform auch der Interessensphäre des Beamten zuzuordnen sei. Dies gelte insbesondere auch deshalb, da der Polizeibeamte die Möglichkeit habe, die Uniform bereits zu Hause anzulegen.


Unsere Praxisempfehlung:

Die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts NW zum Arbeitzeitrecht der Beamten ist nicht in allen Punkten deckungsgleich mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Arbeitzeitrecht der Arbeitnehmer. Das Bundesarbeitsgericht unterscheidet zwar auch im Rahmen einer Interessenabwägung, welchen Bedürfnissen das Anlegen einer Dienstkleidung dient. Der wesentliche Unterschied liegt jedoch darin, dass beim Tragen besonders auffälliger Dienstkleidung eine Ausnahme zu machen sei. So sieht das Bundesarbeitsgericht das Anziehen von typischer Firmenkleidung generell als Arbeitszeit an. Insofern wäre beim Ankleiden einer Polizeiuniform der Tatbestand der Arbeitszeit erfüllt.


Nach europäischem Recht ist Arbeitszeit jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und / oder Geflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt.

Dabei stellt auch der Europäische Gerichtshof darauf ab, ob die Tätigkeit die charateristischen Merkmale des Begriffs der Arbeitszeit erfüllt. Sofern in diesem Zusammenhang allein auf die persönliche Anwesenheit des Polizeibeamten abzustellen wäre, ist die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts NW folgerichtig, da die Polizeiuniform auch bereits zu Hause angelegt werden kann.

Andererseits könnte genauso gut darauf abgestellt werden, dass das Tragen der Polizeiuniform typisches, charakteristisches Merkmal der Dienstausübung eines Polizisten sei und somit allein der Interessensphäre des Dienstherrn zuzurechnen wäre.

Daher bleibt offen, ob andere Obergerichte der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts NW folgen werden. Zunächst ist aber davon auszugehen, dass sich die Landes- und Kommunalverwaltung in Nordrhein-Westfalen an dieser Entscheidung orientieren werden. Die Konsequenzen, die sich aus dieser Entscheidung ergeben, werden nunmehr in den Personalvertretungen zu erörtern sein.


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Beate Puplick, Fachanwältin für Arbeitsrecht
Cordula Zimmermann, Fachanwältin für Arbeitsrecht

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