12 Dezember

Betreutes Wohnen im reinen Wohngebiet („WR-Gebiet“)

VG Kassel, Beschluss vom 08.10.2013, Az. 2 K 653/13. KS

Können Anwohner in einem reinen Wohngebiet die Errichtung einer Einrichtung für betreutes Wohnen verhindern?

Das Praxisproblem

Häufig werden Altenheime oder Einrichtungen für betreutes Wohnen in reinen Wohngebieten errichtet. Dies findet nicht immer die Zustimmung der Anwohner.

Die Praxisentscheidung

Der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Kassel vom 08.10.2013 (Az. 2 K 653/13. KS) lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem die Stadt Kassel einem Projektentwickler zunächst eine Baugenehmigung für die Errichtung einer Tagespflegeeinrichtung in einem reinen Wohngebiet erteilt hatte. Gegen diesen Bescheid war die Anwohnerin gerichtlich vorgegangen.

Der Projektentwickler entschloss sich während des gerichtlichen Verfahrens dazu, keine Tagespflegeeinrichtung zu errichten, sondern stattdessen eine Einrichtung für betreutes Wohnen. Dieser Nachtrag wurde der Stadt Kassel genehmigt. Die Anwohnerin hielt auch nach der Änderung der Baugenehmigung an dem gerichtlichen Verfahren fest.

Das Verwaltungsgericht begründete die ablehnende Entscheidung damit, dass betreutes Wohnen in einem reinen Wohngebiet zulässig ist. Nach der für das Baugebiet maßgeblichen Baunutzungsverordnung (BauNVO) in der Fassung von 1968 ist in einem reinen Wohngebiet allein Wohnnutzung zulässig.

Eine Tagespflegeeinrichtung hätte jedoch - so das Verwaltungsgericht - nicht genehmigt werden dürfen. Die in der Tagespflege aufgenommenen Personen könnten ihren Tagesablauf und ihre Haushaltsführung nicht mehr eigenverantwortlich gestalten. Dies sei entscheidend für eine Wohnnutzung im Sinne der Baunutzungsverordnung.

Im Falle des betreuten Wohnens könnten die in der Einrichtung untergebrachten Personen grundsätzlich ihren Tagesablauf und die Haushaltsführung eigenverantwortlich bestimmen. Lediglich bei Bedarf nehmen diese Personen Pflegeeinrichtungen in Anspruch.

Bei dem „Betreuten Wohnen“ handelt es sich - so das Verwaltungsgericht Kassel - um Wohnnutzung. Diese sei nach der maßgeblichen Fassung der BauNVO in einem reinen Wohngebiet zulässig.

Die Praxisempfehlung

  1. Gegen Einrichtungen für betreutes Wohnen kann auch unter der Geltung der aktuellen BauNVO in reinen Wohngebieten nicht vorgegangen werden. Es handelt es sich um Wohnnutzung. Diese ist charakteristisch für reine Wohngebiete.
     
  2. Gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 2 der aktuellen BauNVO sind Tagespflegeeinrichtungen als soziale Einrichtungen in reinen Wohngebieten ausnahmsweise zulässig. Hier kommt es auf den konkreten Einzelfall an.


Wir verfügen über die notwendige Praxiserfahrung für die Beurteilung komplexer bauplanungsrechtlicher Fragestellungen. Lassen Sie sich bei der Projektentwicklung oder wenn Sie als Anwohner von einem Projekt betroffen sind, frühzeitig beraten.


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Dr. Alexander Puplick, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Fachanwalt für Verwaltungsrecht

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