LG Stuttgart, Urteil vom 10.01.2024, Az. 49 O 30/23
Das Praxisproblem
Oftmals werden in Unternehmenskaufverträgen von den Parteien Schiedsklauseln vereinbart. Es wird also vereinbart, dass bei Streitigkeiten zwischen den Parteien nicht die sog. ordentlichen Gerichte zuständig sind, sondern ein Schiedsgericht abschließend über die Streitigkeit zwischen den Parteien entscheidet.
In der anwaltlichen Beratungspraxis haben wir bei der Prüfung von Unternehmenskaufverträgen, deren Abschluss wird nicht begleitet haben, häufig festgestellt, dass sich die Parteien bei der Vereinbarung einer Schiedsklausel wenig Gedanken über die Vor- und Nachteile eines Schiedsverfahrens gemacht haben.
Wir möchten daher eine Entscheidung des Landgerichtes Stuttgart vom 10.01.2024 (Az. 49 O 30/23) zum Anlass nehmen, die Vor- und Nachteile eines Schiedsverfahrens in einem Unternehmenskaufvertrag (oder auch in sonstigen Verträgen) systematisch darzustellen.
Die Entscheidung
Der Entscheidung des Landgerichtes Stuttgart lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Bei einem Unternehmenskaufvertrag ist ein einzelkaufmännisch geführtes Unternehmen zu einem Kaufpreis von 175.000,00 € veräußert worden. Der Unternehmenskaufvertrag enthielt eine Schiedsklausel. Mit einem separaten Vertrag hat der Verkäufer ergänzend eine Maschine zum Preis von 23.000,00 € an den Käufer des Unternehmens veräußert. Dieser zweite Kaufvertrag enthielt keinen unmittelbaren Bezug auf den ersten Kaufvertrag und auch keine Schiedsklausel. In dem zweiten Kaufvertrag heißt es aber, dass in dem Kaufpreis 0 % Mehrwertsteuer enthalten sind.
Streitig zwischen den Parteien war ein ausstehender Restkaufpreis für das Unternehmen und der vollständige Kaufpreis für die gesondert verkaufte Maschine.
Der Verkäufer erhob Klage nicht vor einem Schiedsgericht, sondern vor dem Landgericht Stuttgart und verlangte die Zahlung des restlichen Kaufpreises für den Unternehmensverkauf (43.750,00 €) und die gesondert verkaufte Maschine (23.000,00 €).
Der Beklagte erhob die sogenannte Schiedseinrede gemäß § 1032 Abs. 1 ZPO, beantragte also, die Klage als unzulässig abzuweisen. Lediglich vorsichtshalber machte die Beklagte in der Sache geltend, dass das Unternehmen sich, wie nach der Übernahme festgestellt worden sei, in einem desaströsen Zustand befunden hat. Darüber hinaus sei die gesondert verkaufte Maschine defekt.
Das Landgericht hat auf die Schiedseinrede der Beklagten hin die Klage als unzulässig abgewiesen. Auf die von dem Käufer geltend gemachten Einwendungen kam es nicht an.
Das Landgericht hat geurteilt, dass auch auf den gesondert geschlossenen Kaufvertrag für die Maschine, welcher keine Schiedsvereinbarung enthielt, die Schiedsklausel des Unternehmenskaufvertrages anzuwenden ist. Die Schiedsvereinbarung sei weit auszulegen und umfasse auch Geschäfte im Zusammenhang mit dem Unternehmenskaufvertrag.
Dieses folgerte das Landgericht daraus, dass in dem zweiten Kaufvertrag vereinbart worden ist, der Kaufpreis solle keine Mehrwertsteuer enthalten. Dieses sei ein Indiz dafür, dass die Parteien beide Verträge miteinander verknüpfen wollten. Nur dann sei § 1 Abs. 1a UStG anwendbar, wonach bei einer Geschäftsveräußerung eines Unternehmens an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen erzielte Umsätze nicht umsatzsteuerbar sind.
Im Ergebnis ist der Verkäufer also dazu gezwungen, erneut Klage zu erheben, diesmal vor einem Schiedsgericht.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob es für die Parteien des vorliegenden Unternehmenskaufvertrages sinnvoll war, eine Schiedsklausel zu vereinbaren.
Die Vereinbarung vom Schiedsklauseln hat eine Reihe von Vorteilen, denen aber auch, teilweise sogar spiegelbildlich, Nachteile gegenüberstehen, im Einzelnen:
- Schnellere Streitbeilegung
Vorteil:
- Schiedsverfahren sind in der Regel schneller als Verfahren vor den ordentlichen Gerichten beendet, da sie flexiblere Zeitpläne und weniger formale Verfahrensregeln haben.
Nachteil:
- Schiedsverfahren bieten nicht dieselben Möglichkeiten zur Beweiserhebung wie Gerichtsverfahren. Dies kann in komplexen Fällen, in denen umfangreiche Beweise benötigt werden, ein Nachteil sein.
- Vertraulichkeit
Vorteil:
- Schiedsverfahren werden nicht öffentlich verhandelt. Das bedeutet, dass vertrauliche Informationen und Geschäftsgeheimnisse besser geschützt sind als in einem öffentlichen Gerichtsverfahren.
- Da Schiedsverfahren tendenziell weniger konfrontativ sind als Gerichtsverfahren, besteht eine bessere Chance, dass die Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien erhalten bleiben.
Nachteil:
- Die Vertraulichkeit von Schiedsverfahren kann auch ein Nachteil sein, da es an Transparenz und öffentlicher Kontrolle fehlt.
- Die Vertraulichkeit von Schiedsverfahren bedeutet auch, dass es keine öffentliche Dokumentation der Entscheidungen gibt. Dies kann ein Nachteil sein, wenn eine Partei die Öffentlichkeit über ihre Rechtsposition oder einen gewonnenen Fall informieren möchte.
- Flexibilität und Auswahl fachkundiger Schiedsrichter
Vorteil:
- Die Parteien können die Regeln und Verfahren des Schiedsverfahrens weitgehend selbst bestimmen, einschließlich der Wahl der Schiedsrichter, des Ortes des Verfahrens und der anzuwendenden Rechtsgrundlagen.
- Die Parteien können Schiedsrichter mit spezifischem Fachwissen und Erfahrung in relevanten Branchen oder Rechtsgebieten auswählen, was zu fundierteren Entscheidungen führen kann.
Nachteil:
- Obwohl die Möglichkeit besteht, Experten als Schiedsrichter zu wählen, kann dies auch zu Problemen führen, wenn sich die Parteien nicht auf die Auswahl einigen können. Zudem könnten Schiedsrichter voreingenommen oder parteiisch sein, insbesondere wenn sie regelmäßig von denselben Parteien oder Anwaltskanzleien ausgewählt werden.
- Die Flexibilität des Schiedsverfahrens kann zu unvorhersehbaren Ergebnissen führen, da die Schiedsrichter nicht an Präzedenzfälle oder bestimmte Verfahrensregeln gebunden sind.
- Kostenkontrolle
Vorteil:
- Obwohl Schiedsverfahren kostspielig sein können, bieten sie oft eine bessere Kostenkontrolle und -vorhersehbarkeit als lange Gerichtsverfahren, da die Parteien das Verfahren steuern können.
Nachteil:
- Während Schiedsverfahren schneller sein können, sind sie oft nicht günstiger als Gerichtsverfahren, insbesondere wenn hochqualifizierte Schiedsrichter und spezialisierte Anwälte beteiligt sind.
- Die Parteien müssen auch für die Verwaltungskosten der Schiedsinstitution aufkommen.
- Endgültigkeit
Vorteil:
- Schiedssprüche sind in der Regel endgültig und schwer anfechtbar, was eine schnellere und endgültige Streitbeilegung ermöglicht.
Nachteil:
- Da Schiedssprüche in der Regel endgültig sind und nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen angefochten werden können, sind Fehler oder Ungerechtigkeiten im Schiedsverfahren nur schwer oder überhaupt nicht zu korrigieren.
Ob in dem von dem Landgericht Stuttgart entschiedenen Sachverhalt die Vereinbarung einer Schiedsklausel sinnvoll war, erscheint zumindest zweifelhaft.
Die Parteien haben sich über einen Kaufpreis für das Unternehmen von restlichen 43.750,00 € und für die Maschine um den Kaufpreis i.H.v. 23.000,00 €, in Summe um 66.750,00 €, gestritten. Die Kosten für ein Gerichtsverfahren vor den ordentlichen Gerichten betragen 2.595,00 €. Hinzu kommen für die Partei, die das Verfahren verliert, zusätzlich zu den eigenen Anwaltskosten zu tragende Anwaltskosten der Gegenseite in Höhe von netto 3.687,50 €. Die Durchführung eines Schiedsverfahrens dürfte deutlich teurer sein.
Bei dem vorliegenden Sachverhalt ist auch kein besonderes Geheimhaltungsbedürfnis ersichtlich, welches es rechtfertigen würde, die höheren Kosten eines Schiedsverfahrens auf sich zu nehmen.
Auch das Argument, dass das Schiedsgericht mit besonders erfahrenen Schiedsrichtern besetzt werden kann, dürfte nicht von Bedeutung sein. Streitigkeiten wie die vorliegende gehören zu dem „üblichen“ Repertoire der Kammern für Handelssachen bei den Landgerichten.
Die Praxisempfehlung
Sollte bei Unternehmenskaufverträgen oder bei sonstigen Kaufverträgen die Vereinbarung einer Schiedsklausel im Raum stehen, müssen die Vor- und Nachteile eines Schiedsverfahrens sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. Die frühzeitige Einschaltung erfahrener anwaltlicher Berater ist angezeigt.
Gerne stehen wir Ihnen mit unserer Expertise auf dem Gebiet des Handels- und Gesellschafsrechts zur Seite und über 25-jähriger Erfahrung bei der Führung von Schiedsverfahren bei Unternehmenskäufen/-verkäufen und auf dem Gebiet des internationalen Anlagenbaus – sprechen Sie uns an!