Muss sich ein Gericht mit Privatgutachten auseinandersetzen? Adobestock von Butch
13 Juni

Muss sich ein Gericht mit Privatgutachten auseinandersetzen?

BGH, Beschluss vom 28.03.2023, Az. VI ZR 29/21

Das Praxisproblem

Regelmäßig müssen bei Streitigkeiten über technische Sachverhalte, insbesondere im Baurecht, Sachverständige hinzugezogen werden, um einen Sachverhalt zu erfassen und zu bewerten.

Meist fehlt auf Auftraggeberseite das technische Know-how, um bewerten zu können, ob es sinnvoll ist, ein Gerichtsverfahren einzuleiten.

Auch während laufender Gerichtsverfahren gibt es Konstellationen, bei denen externer Rat eines technischen Sachverständigen notwendig ist, um beispielsweise ein vom Gericht eingeholte Sachverständigengutachten nachvollziehen zu können.

Hierbei stellt sich die Frage, ob sich ein Gericht mit von den Parteien eingeholten Gutachten auseinandersetzen muss.

 

Die Entscheidung

Der BGH hat sich im Rahmen einer Beschwerde über die Nichtzulassung der Revision gegen ein Urteil des OLG Celle mit einem Sachverhalt befasst, bei dem es auf einem landwirtschaftlichen Anwesen zu einem größeren Brandschaden gekommen war. Streitig war, ob der Brandschaden durch einen Produktfehler eines von der Beklagten hergestellten Geschirrspülers verursacht worden war.

Die erste Instanz und das OLG Celle als Berufungsinstanz haben die Klage der Versicherung, welche aufgrund des Brandschadens Zahlungen geleistet hatte, zurückgewiesen. Durch die Zahlung der Versicherung an ihren Versicherungsnehmer waren die Ansprüche des Geschädigten auf die Versicherung übergegangen.

Die beklagte Herstellerin des Geschirrspülers hatte in den Vorinstanzen geltend gemacht, es lasse sich nicht feststellen, dass ein Produktfehler der Geschirrspülmaschine für den Brand ursächlich gewesen sei. Selbst wenn man unterstellen würde, dass der Brand in der Geschirrspülmaschine ausgebrochen sei, ließe sich nicht feststellen, dass dieses auf einen Produktfehler zurückzuführen sei. Dieses war auch von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen bestätigt worden.

Für die Klägerin erschwerend kam hinzu, dass der Geschirrspüler entsorgt war und nicht mehr für eine Begutachtung zur Verfügung stand. Die Klägerin hatte allerdings ein Privatgutachten vorgelegt, aus dem hervorging, dass der Brand hinter dem Bedientableau des Geschirrspülers ausgebrochen ist und weitere Brandursachen ausscheiden.

Mit diesem Vorbringen der Klägerin hatte sich das Berufungsgericht nicht auseinandergesetzt. Der Bundesgerichtshof hat auf Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hin mit Beschluss vom 28.03.2023 entschieden, dass diese fehlende Auseinandersetzung mit dem Parteivortrag der Klägerin deren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Der BGH hat die Entscheidung des Berufungsgerichtes aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Der Praxishinweis

  1. Gerichte müssen sich mit von den Parteien vorgelegten Privatgutachten auseinandersetzen. Es reicht nicht aus, ein Urteil nur auf gerichtlich eingeholte Gutachten zu stützen.
  2. Die Kosten eines von Kläger- oder Beklagtenseite eingeholten Privatgutachtens können bei der Abrechnung des Gerichtsverfahrens berücksichtigt werden. Voraussetzung ist, dass das Gutachten zum Gegenstand des Prozessvortrages gemacht wird. Hierfür muss es vollständig vorgelegt werden und auf das Gutachten Bezug genommen werden.

 

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