Kann ein Insolvenzverwalter ein durch den Schuldner bestelltes Wohnungsrecht am eigenen Grundstück pfänden? Adobestock von Imillian
26 April

Kann ein Insolvenzverwalter ein durch den Schuldner bestelltes Wohnungsrecht am eigenen Grundstück pfänden?

BGH, Urteil vom 02.03.2023, Az. V ZB 64/21

Das Praxisproblem

Schuldner sind mitunter sehr kreativ, um in einem Insolvenzverfahren Vermögenswerte vor dem Zugriff von Gläubigern zu sichern.

Insbesondere bei Grundstücken versuchen Schuldner sich die Besonderheiten des Grundstücksrechts zu Nutze zu machen.

Eine Verwertung von Grundstücken ist nahezu ausgeschlossen, wenn im Grundbuch die Belastung des Grundstücks mit einem Nutzungsrecht, etwa einem Wohn- oder Nießbrauchsrecht eingetragen ist. Derartige Rechte wirken auch gegenüber einem neuen Eigentümer bei der Übertragung des Grundstückes. Im Grundbuch eingetragene Wohn- oder Nießbrauchsrechte sind nicht übertragbar und damit nicht pfändbar. Sie gehören bei einer Insolvenz nicht zur Insolvenzmasse und können damit – was Schuldner auszunutzen versuchen – vom Insolvenzverwalter nicht verwertet werden.

Dass dieses aber nicht schrankenlos gilt, zeigt die Entscheidung BGH, Urteil vom 02.03.2023 (Az. V ZB 64/21).

 

Die Entscheidung

Der A ist Eigentümer eines Grundstückes. Dieses Grundstück belastet er mit einem Wohnungsrecht zu seinen Gunsten. Nachfolgend überträgt er das Grundstück an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Diese GbR wird auch im Grundbuch eingetragen.

Über das Vermögen des A wird kurze Zeit später das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter erklärt die Insolvenzanfechtung des Vertrages, mit dem das Grundstück auf die GbR übertragen worden war. Das Grundstück wird daraufhin wieder auf den insolventen A zurückübertragen und kann damit durch den Insolvenzverwalter als Teil der Insolvenzmasse verwertet werden.

Das Grundstück ist aber weiterhin mit dem Wohnungsrecht zugunsten des A belastet. Ein Wohnungsrecht ist eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit. Grundsätzlich gehören beschränkte persönliche Dienstbarkeiten nicht zur Insolvenzmasse, weil sie nicht übertragbar und deshalb nicht pfändbar sind (§ 1092 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 851 Abs. 1 ZPO, § 857 Abs. 1 ZPO). Anderes gilt nach dem Wortlaut des Gesetzes nur dann, wenn die Ausübung des Wohnungsrechtes einem anderen gestattet ist (§ 1092 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. § 857 Abs. 3 ZPO).

Die Ausübung des Wohnungsrechtes durch einen Dritten war von dem Schuldner A (naturgemäß) nicht vorgesehen gewesen. Gleichwohl hat der BGH vorliegend entschieden, dass das Wohnungsrecht durch den Insolvenzverwalter gelöscht werden konnte. Der BGH hat argumentiert, dass durch die Rückübertragung des Grundstückes auf den A das Wohnungsrecht zu einem „Eigentümerwohnungsrecht“ geworden war. Alleine der Eigentümer A war durch das Wohnungsrecht begünstigt. Aufgrund dieser besonderen Konstellation hat der BGH das Wohnungsrecht als pfändbar und damit Teil der Insolvenzmasse angesehen.

Nach dem gesetzlichen Leitbild ist es der Regelfall, dass Grundstückseigentümer und Berechtigte eines Wohnungsrechtes personenverschieden sind. Nur in dieser Konstellation ist der Berechtigte gegenüber dem Grundstückseigentümer schutzbedürftig. Wenn Grundstückseigentümer und Berechtigten des Wohnungsrechtes zusammenfallen, entfällt nach der Argumentation des BGH dieses Schutzbedürfnis. Im Ergebnis muss sich der Berechtigte, der zugleich Eigentümer ist, so behandeln lassen, als habe er die Ausübung des Wohnungsrechtes einem anderen gestattet (teleologische Einschränkung von § 1092 Abs. 1 BGB).

Der Insolvenzverwalter war damit befugt das zugunsten des A eingetragene Wohnungsrecht löschen zu lassen und konnte hierdurch das Grundstück für die Insolvenzgläubiger verwerten.

 

Der Praxishinweis

Stellt sich bei Insolvenz seines Schuldners heraus, dass dieser kurze Zeit vor der Insolvenz Vermögenswerte, hierbei insbesondere auch Immobilien, auf Dritte übertragen hat, sollten Gläubiger immer anwaltliche Beratung in Anspruch nehmen. In Zusammenarbeit mit dem Insolvenzverwalter ist dann oftmals ein weitergehender Zugriff auf das Schuldnervermögen möglich.

 

Gerne beraten wir Sie, bitte sprechen Sie uns an.

 

 

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