Unter welchen Voraussetzungen sind (Sicherungs-) Übereignungen von Sachgesamtheiten wirksam? Adobestock von Blue Planet Studio
23 Februar

Unter welchen Voraussetzungen sind (Sicherungs-) Übereignungen von Sachgesamtheiten wirksam?

BGH, Urteil vom 16.12.2022, Az. V ZR 174/21

Das Praxisproblem

Oftmals sollen Sachgesamtheiten übereignet werden, sei es im Zusammenhang mit einer Sicherungsübereignung oder bei einem Unternehmensverkauf im Rahmen eines sog. Asset-Deals.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seiner Entscheidung vom 16.12.2022 (Az.: V ZR 174/21) die Anforderungen an die Übereignung einer Sachgesamtheit bei einem „Asset Deal“ präzisiert. Bei der Übertragung von Unternehmen wird zwischen einem „Asset-Deal“ und einem „Share-Deal“ unterschieden. Bei einem „Asset-Deal“ werden die werthaltigen Teile des Unternehmens, also Einzelwirtschaftsgüter übertragen. Bei einem „Share-Deal“ wird das Unternehmen insgesamt übertragen.

Die Entscheidung

Im Rahmen eines Asset Deals wurden

„alle von der Gesellschaft an ihre Kunden überlassenen Flüssiggastanks“

veräußert. Der BGH hatte darüber zu entscheiden, ob die Eigentumsübertragung wirksam gewesen ist.

Eine Übereignung muss bestimmten Anforderungen genügen:

 

  1. Bestimmtheitsgrundsatz

Einigungen über die Übertragung von Eigentum müssen sich auf eine individuelle, bestimmte Sache beziehen - sog. „Bestimmtheitsgrundsatz“.

Bei einer einzelnen Sache stellt dies selten ein Problem dar. Wenn aber das Eigentum an einer Sachgesamtheit übertragen werden soll, kann dieses problematisch sein. Es muss klar sein, welche einzelnen Gegenstände als „Sachgesamtheit“ übereignet werden sollen. Dabei ist nicht erforderlich, dass jeder einzelne Gegenstand genau bezeichnet werden muss.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist der Bestimmtheitsgrundsatz erfüllt,

„wenn es infolge der Wahl einfacher äußerer Abgrenzungskriterien für jeden, der die Parteiabreden in dem für die Eigentumsübergang vereinbarten Zeitpunkt kennt, ohne Weiteres ersichtlich ist, welche individuell bestimmten Sachen übereignet worden sind.“

 

  1. Sammelbezeichnung als äußeres Abgrenzungskriterium

Dem Bestimmtheitsgrundsatz kann dadurch Rechnung getragen werden, dass eine Sammelbezeichnung verwendet wird. Diese kann so lauten, dass alle Sachen übertragen werden, die ein bestimmtes Merkmal erfüllen.

Zulässig ist nach der Rechtsprechung beispielsweise die Formulierung

„Hausinventar des gemeinsam bewohnten Einfamilienhauses“.

Ebenfalls bestimmt genug ist die Bezeichnung von Containern einer bestimmten Größe:

„Alle Container mit 5,5 cbm“.

Bei den Beispielen handelt es sich jeweils um eine Sammelbezeichnung, welche durch ein bestimmtes Merkmal konkretisiert wird.

 

  1. Individuelle Merkmale müssen aus der Parteiabrede ersichtlich sein

Zu unbestimmt war dagegen die Bezeichnung

„Handbibliothek Kunst“

bei der Übereignung von Geschäftsräumen. Hier könne man nämlich nur durch die Befragung von Mitarbeitern herausfinden, welche Werke dem Merkmal „Handbibliothek Kunst“ unterfallen.

Ebenfalls zu unbestimmt ist die Unterscheidung anhand rechtlicher Merkmale innerhalb einer Sammelbezeichnung. Die Einigung über die Übertragung des Eigentums wäre zu unbestimmt, wenn diese

„alle Container, die nicht im Eigentum des Veräußerers stehen“

betreffen würde.

Auch hier wäre es einem außenstehenden Dritten nicht möglich, ohne außervertragliche Erkenntnisquellen, wie beispielsweise Warenbücher oder Rechnungen, zu bestimmen, welche der Sammelbezeichnung „Container“ unterfallenden Gegenstände dem Veräußerer gehören.

Grundlegend lässt sich sagen:

Sobald außervertragliche Erkenntnisquellen notwendig werden, um die zu übereignenden Gegenstände von anderen zu unterscheiden, ist der Bestimmtheitsgrundsatz nicht eingehalten.

 

  1. Im Zweifelsfall: Räumliche Abgrenzung der Gegenstände

Es gibt Situationen, in welchem eine eindeutige Feststellung der zu übereignenden Gegenstände kaum möglich ist.

Dies ist beispielsweise bei einem Warenlager mit ständig wechselndem Bestand der Fall. Gleiches gilt bei der Beschränkung einer Sicherungsübereignung auf eine nur quantitativ bestimmbare Teilmenge einer Sachgesamtheit.

Hier ist eine räumliche Abgrenzung der zu übereignenden Gegenstände erforderlich, damit der Bestimmtheitsgrundsatz gewahrt wird. Zulässig ist beispielsweise die Formulierung

„alle sich im Raum XY befindlichen Ersatzteile“.

 

  1. Die Entscheidung des BGH

Entsprechend des eben gesagten ist der BGH in seiner Entscheidung vom 16.12.2022 zu dem Ergebnis gekommen, dass die Formulierung

„alle von der Gesellschaft an ihre Kunden überlassenen Flüssiggastanks“

dem Bestimmtheitsgrundsatz nicht gerecht wird.

Für einen außenstehenden Dritten ist nicht erkennbar, welche einzelnen Flüssigkeitstanks von der Übereignung erfasst sein sollen. Es ist weder ersichtlich, ob es sich bei unmittelbaren Besitzern von Flüssiggastanks um Kunden der Gesellschaft handelt, noch ob die Tanks von der Gesellschaft überlassen worden sind.

Die Konsequenz des Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz war die Unwirksamkeit der Eigentumsübertragung.

 

Der Praxishinweis

In der Praxis kann bei der Übereignung von Sachgesamtheiten das Bestimmtheitsgebot durch Bezugnahme auf ein Verzeichnis gewahrt werden, in welchem die Gegenstände näher bezeichnet werden. Das Verzeichnis muss zum Zeitpunkt der Einigung tatsächlich vorliegen und Bestandteil des die Einigung enthaltenen Vertrages werden.

 

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