Insolvenzanfechtung: Wann droht eine Rückforderung? Reicht hierfür Kenntnis über schleppendes Zahlungsverhalten? Adobestock von CrazyCloud
23 Mai

Insolvenzanfechtung: Wann droht eine Rückforderung? Reicht hierfür Kenntnis über schleppendes Zahlungsverhalten?

BGH, Urteil vom 10.02.2022, Az. IX ZR 145/19

Das Praxisproblem

Eine Spedition erbringt seit vielen Jahren für ein anderes Unternehmen Transportleistungen.

Am 31.07.2015 stellt das Unternehmen (nachfolgend: Schuldnerin) einen Insolvenzantrag, das Verfahren wird am 30.10.2015 eröffnet.

Die Insolvenzverwalterin erklärt die Anfechtung und nimmt den Spediteur auf Rückzahlung von rund 53.000,00 € in Anspruch (Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 InsO). Die Schuldnerin hatte hiermit Transportleistungen der Spedition in dem Zeitraum April 2014 bis September 2015 bezahlt.

Bereits Anfang des Jahres 2013 hatten eine Krankenversicherung wegen rückständiger Beiträge in Höhe von rund 23.000,00 € und das Finanzamt wegen Steuerschulden in Höhe von rund 49.000,00 € Insolvenzanträge gestellt. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen waren erfolglos geblieben.

Ein Insolvenzverfahren wurde nicht eröffnet, nachdem die Forderungen durch Zahlungen von Dritter Seite beglichen worden sind.

Hierüber war der Spedition nichts bekannt. Allerdings waren ihre Forderungen nur schleppend bezahlt worden.

Die klagende Insolvenzverwalterin macht geltend, dass sich die Schuldnerin spätestens seit dem Jahr 2012 in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten befunden hat. Mitte des Jahres 2013 sei sie spätestens nicht mehr dazu in der Lage gewesen, die Leistungen der Spedition zu bezahlen. Dieses ergäbe sich aus den vereinbarten Ratenzahlungen.

Hieraus folgert sie, dass die angefochtenen Zahlungen mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz von der Schuldnerin geleistet worden sind. Die beklagte Spedition habe diesen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz aufgrund der schleppenden Zahlungsweise der Schuldnerin gekannt.

 

Die Entscheidung

Das LG Köln und das OLG Köln haben der Klage der Insolvenzverwalterin stattgegeben. Anders entschied der BGH, der mit Urteil vom 10.02.2022 (Az. IX ZR 148/19) die Klage vollständig abgewiesen hat.

Bisher hatte der BGH immer entschieden, dass bei einer einmal erfolgten Zahlungseinstellung – diese lag hier vor und hatte zu dem Insolvenzantrag der Krankenversicherung und des Finanzamtes geführt – es dem Anfechtungsgegner (hier der Spedition) obliegt dazu vorzutragen und zu beweisen, dass der Schuldner die Zahlungen vollumfänglich wieder aufgenommen hat. Dieses konnte von den Anfechtungsgegnern regelmäßig nicht dargelegt werden.

Die bestehende Rechtsprechung hat der BGH jetzt eingeschränkt.

Ist das Zahlungsverhalten eines Schuldners dauerhaft schleppend und zwar auch schon zu einem Zeitpunkt, als er die Zahlungen nicht eingestellt hat, kann aus diesem Zahlungsverhalten nicht auf eine später eingetretene Zahlungseinstellung geschlossen werden.

Weitergehend ist eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen: Kennt der Anfechtungsgegner nur das Zahlungsverhalten ihm gegenüber, hat also keine weitergehenden Informationen zum Zahlungsverhalten gegenüber anderen Gläubigern, fehlt ihm der für die Beurteilung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit erforderliche Überblick über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners.

In dem aktuell von dem BGH entschiedenen Fall führte dies dazu, dass der Spedition nicht vorgeworfen werden konnte, von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gewusst zu haben. Die Klage der Insolvenzverwalterin hatte damit keinen Erfolg.

 

Die Praxisempfehlung

Über einen längeren Zeitraum dauerhaft schleppende Zahlungen eines Kunden sind gerade bei langjährigen Kunden ein ernsthaftes Alarmsignal. Wird nach der Maßgabe verfahren „über Kurz oder Lang hat der Kunde immer gezahlt…“ kann dieses bei einer Insolvenz des Kunden Anfechtungstatbestände auslösen. Lassen Sie sich frühzeitig anwaltlich beraten, um „insolvenzfeste“ Zahlungsvereinbarungen mit dem Kunden zu treffen.

 

Bitte sprechen Sie uns an, wir beraten Sie gerne!

 

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