02 November

Ist die Bekanntgabe einer Baugenehmigung per E-Mail wirksam und setzt die Klagefrist nach der VwGO in Gang?

OVG NRW, Beschluss vom 13.11.2014, Az. 2 B 1111/14

Das Praxisproblem

Die Übermittlung von Schreiben erfolgt nicht mehr nur durch Brief oder per Fax sondern häufig per E-Mail. Auch Behörden sind dazu übergegangen, Schreiben oder Mitteilungen per E-Mail zu übersenden.

Führt dieses dazu, dass ein Verwaltungsakt nach den Vorschriften der VwVG ordnungsgemäß bekannt gegeben wurde? Sind die Fristen für Rechtsbehelfe oder Klagen nach der VwGO wirksam in Gang gesetzt worden?

 

Die Entscheidung

In dem der Entscheidung des OVG NRW zugrunde liegenden Sachverhalt hatte ein Grundstückseigentümer davon erfahren, dass sein Nachbar beabsichtigte, an der Grenze zu seinem Grundstück eine Garage zu errichten. Der Grundstückseigentümer beauftragte einen Rechtsanwalt damit, gegen die grenzständige Garage vorzugehen. Der Rechtsanwalt bestellte sich gegenüber der Bauaufsichtsbehörde und machte Einwendungen gegen das Bauvorhaben geltend.

Nach Auffassung der Bauaufsichtsbehörde war das Bauvorhaben genehmigungsfähig. Die Einwendungen griffen demgegenüber nicht durch. Die Bauaufsichtsbehörde erteilte die Baugenehmigung und übermittelte den an den Nachbarn des Grundstückseigentümers gerichteten Genehmigungsbescheid – einschließlich der Rechtsbehelfsbelehrung – an den Rechtsanwalt des Grundstückseigentümers. Dabei verwendete die Behörde die E-Mail-Adresse, welche auf dem Briefkopf des Rechtsanwalts angegeben war.

Zwei Monate nach Übersendung der Baugenehmigung erhob der Rechtsanwalt des Grundstückseigentümers Klage gegen die Baugenehmigung zugunsten des Nachbarn und beantragte einstweiligen Rechtsschutz gemäß § 80 a Abs. 3 S. 2 und § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO. Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ab. Dagegen legte der Grundstückseigentümer - vertreten durch den Rechtsanwalt - Beschwerde ein.

Das OVG NRW wies die Beschwerde zurück. Dies begründete das OVG damit, dass das Rechtsmittel zwar zulässig aber unbegründet sei. Hier gelte nicht die einmonatige Klagefrist des § 74 Abs. 1 S. 2 VwGO, sondern die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 S. 1 VwGO.

Gemäß § 3 a Abs. 1 S. 1 VwGO NRW sei auch die Übermittlung elektronischer Dokumente zulässig, soweit der Empfänger hierfür einen Zugang eröffnet hat. Von einer solchen Zugangseröffnung sei nicht schon dann auszugehen, wenn ein privater Empfänger über einen E-Mail-Account verfügt und die E-Mail-Adresse der Behörde bekannt ist. Vielmehr sei zusätzlich erforderlich, dass der private Empfänger der Behörde die E-Mail-Adresse gezielt in dem betreffenden Verfahren übermittelt hat und bereits in der Vergangenheit in diesem Verfahren zwischen der Behörde und dem Bürger auf diesem Wege korrespondiert worden sei.

Für Behörden, geschäftliche Nutzer und Rechtsanwälte gelten demgegenüber – so das OVG – strengere Maßstäbe. Bei ihnen kann eine Zugangseröffnung regelmäßig schon dann angenommen werden, wenn diese eine elektronische Adresse auf ihren Briefköpfen oder ihrer Homepage im Internet als Kontaktadresse angeben.

Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall erfüllt, da der Rechtsanwalt die E-Mail-Adresse auf seinem Briefkopf angegeben habe.

Die Rechtsbehelfsbelehrung sei allerdings nach dem Wortlaut nicht an den betroffenen Grundstückseigentümer oder dessen Rechtsanwalt gerichtet gewesen, sondern an den Nachbarn, den Bauherrn der Garage.

Eine Rechtsbehelfsbelehrung müsse sich an eine konkrete Person wenden und dieser verdeutlichen, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Frist zu wahren. Diese Anforderungen erfülle die lediglich an den Nachbarn des Grundstückseigentümers, den Antragsteller, gerichtete Rechtsbehelfsbelehrung nicht.

Allerdings sei das Bauvorhaben genehmigungsfähig, so dass der Antrag nach Auffassung des OVG unbegründet war.

 

Praxishinweis

  1. Auch eine elektronische Übermittlung eines Bescheides – hier einer Baugenehmigung – ist wirksam und setzt – sofern die Rechtsbehelfsbelehrung zutreffend formuliert wurde – die Klagefrist gemäß § 74 Abs. 1 VwGO in Gang. Für Privatleute gilt dies nur dann, wenn sie ausdrücklich einen Zugang für elektronische Post eröffnet haben, etwa dadurch das der Wunsch geäußert wurde, Bescheide per E-Mail zu übersenden.
  2. Nicht nur für Rechtsanwälte, sondern auch für Behörden und Unternehmen sind die Anforderungen geringer; hier reicht es aus, wenn eine E-Mail-Adresse auf dem Briefkopf oder der Homepage angegeben wurde.
  3. Sofern die Befürchtung besteht, dass die Übersendung eines Bescheides per E-Mail nicht in der erforderlichen Weise bearbeitet wird, sollte ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass Bescheide ausschließlich per Post übermittelt werden sollen.

 

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