01 Februar

EuGH Rechtsprechung zum Kaufrecht

 

Wen trifft die Kostentragungspflicht für den bereits erfolgten Einbau und im Falle der Nachlieferung einer mangelfreien Sache den Ausbau der mangelhaften Sache - den Käufer oder Verkäufer?

Was gilt für den Fall, dass die Kosten für den Ein- und Ausbau außer Verhältnis zu dem Wert des gekauften Gegenstandes stehen? 

 Die Entscheidung:

Der Sachverhalt in der Rechtssache C-65/09
Ein Verbraucher (Käufer) und eine Firma (Beklagte) schlossen einen Kaufvertrag über polierte Bodenfliesen.

Nachdem der Kläger zwei Drittel der Fliesen in seinem Haus hatte verlegen lassen, stellte er auf der Oberfläche Schattierungen fest, die mit bloßem Auge zu erkennen waren. Daraufhin erhob er eine Mängelrüge, die die Beklagte nach Rücksprache mit dem Hersteller der Fliesen zurückwies.  In einem selbständigen Beweisverfahren kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass es sich bei den Schattierungen um feine Mikroschleifspuren handele, die nicht beseitigt werden könnten, so dass Abhilfe nur durch einen kompletten Austausch der Fliesen möglich sei.  Die Kosten dafür bezifferte der Sachverständige mit rund 6.000,- €. Nachdem der Kläger vergeblich zur Leistung aufgefordert hatte, erhob er beim Klage auf Lieferung mangelfreier Fliesen und Zahlung der vorgenannten 6.000,- €.  Das Landgericht Kassel verurteilte die Beklagte zur Zahlung eines Minderungsbetrages von 273,10 € und wies die Klage im Übrigen ab.  In zweiter Intanz  verurteilte das Oberlandesgericht Frankfurt die Beklagte zur Lieferung neuer, mangelfreier Fliesen und zur Zahlung von 2.122,37 € für den Ausbau und Entsorgung der mangelhaften Fliesen und wies die Klage im Übrigen ab.

Die Beklagte legte gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) ein. Der BGH wies darauf hin, dass die Entscheidung davon abhänge, ob das Berufungsgericht zu Recht angenommen habe, dass der Kläger die Erstattung der Kosten des Ausbaus der mangelhaften Fliesen verlangen könne. Nach deutschem Recht sei das nicht der Fall.

Der BGH setzte das Verfahren aus und legte es dem Europäischen Gerichtshof zwecks Überprüfung der Vereinbarkeit des nationalen Rechts mit der Europäischen Richtlinie 1999/44/EG Art.3 vor.


Der Sachverhalt in der Rechtssache C-87/09
Eine Verbraucherin (Klägerin) schloss mit einer Firma (Beklagte) über das Internet einen Kaufvertrag
über eine neue Spülmaschine zum Preis von 367,- € zuzüglich Nachnahmekosten von 9,52 €.  Die Parteien vereinbarten eine Lieferung bis vor die Haustür der Klägerin.  Die Lieferung der Spülmaschine und die Kaufpreiszahlung erfolgten vereinbarungsgemäß. Nachdem die Klägerin die Spülmaschine bei sich in der Wohnung hatte montieren lassen, stellte sich heraus, dass die Maschine einen nicht behebbaren Mangel aufwies, der nicht durch die Montage entstanden sein konnte. Die Parteien einigten sich daher auf den Austausch der Spülmaschine.  In diesem Rahmen verlangte die Klägerin, dass nicht nur die neue Spülmaschine angeliefert wird, sondern auch die mangelhafte Maschine ausgebaut und die Ersatzmaschine eingebaut wird, oder dass die Beklagte die Aus- und Einbaukosten trägt, was die Beklagte ablehnte.

Die Klägerin erhob daher gegen die Beklagte Klage auf Rückerstattung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Übergabe der mangelhaften Spülmaschine. Das Amtsgericht Schorndorf hat  das Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof die Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Da die beiden vorgenannten Fälle C-65/09 und C-87/09 vergleichbare Rechtsfragen betreffen, sind sie zur gemeinsamen Entscheidung verbunden worden.

 Die Entscheidung des EuGH vom 16.06.2011:

 Wenn ein Verbraucher gutgläubig eine Sache entsprechend seiner Art und seinem Verwendungszweck einbaut und der Verkäufer zur Ersatzlieferung verpflichtet ist, ist er ebenfalls verpflichtet, entweder selbst den Ausbau dieses Verbrauchsguts aus der Sache, in die es eingebaut wurde, vorzunehmen und die neu gelieferte Sache einzubauen.

Alternativ hat er die Kosten zu tragen, die für diesen Ausbau und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts notwendig sind.
Diese Verpflichtung des Verkäufers besteht unabhängig davon, ob er sich im Kaufvertrag
verpflichtet hatte, das ursprünglich gekaufte Verbrauchsgut einzubauen.


Darüberhinaus darf eine nationale gesetzliche Regelung dem Verkäufer nicht das Recht gewähren, die Ersatzlieferung für ein vertragswidriges Verbrauchsgut als einzig mögliche Art der Abhilfe zu verweigern, weil die Kosten dafür außer Verhältnis zu dem Kaufpreis der Sache stehen.

Allerdings ist es möglich, den Anspruch des Verbrauchers auf Erstattung der Kosten für den Ausbau des mangelhaften Verbrauchsguts und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts in einem solchen Fall auf die Übernahme eines angemessenen Betrags durch den Verkäufer zu beschränken.

 

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Dr. Alexander Puplick, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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