01 Februar

Die Tarifunfähigkeit der christlichen Gewerkschaft CGZP und ihre Folgen

Das Praxisproblem:

Bereits mit dem Beschluss vom 14.12.2010 hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass die christliche Gewerkschaft CGZP nicht tariffähig ist.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) muss eine Arbeitnehmervereinigung bestimmte Mindestvoraussetzungen erfüllen, um als Gewerkschaft nach § 2 Abs. 1 TVG tariffähig zu sein.
Nach der Entscheidung des BAG ist die CGZP keine tariffähige Arbeitnehmervereinigung im Sinne des § 2 Abs. 1 TVG, da sie nach ihrer Satzung keine Arbeitnehmer organisiert, darüber hinaus sei die CGZP auch keine tariffähige Spitzenorganisation.

           • Was bedeutet dies jedoch für die Vertragsparteien?
           • Hat die Entscheidung des BAG auch Auswirkung auf Verträge, welche nicht unmittelbar dem
             Tarifvertrag der CGZP unterfallen?
           • Welche finanziellen Konsequenzen können Arbeitgebern durch diese Entscheidung drohen?

Die Entscheidung des BAG vom 14.12.2010:

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) wies in der vorgenannten Entscheidung darauf hin, dass die Tarifautonomie von Verfassungs wegen nur solchen Koalitionen zustehe, die in der Lage sind, den von der staatlichen Rechtsordnung freigelassenen Raum des Arbeitslebens durch Tarifverträge sinnvoll zu gestalten.

Dies sei sachgerecht nur dann möglich, wenn Sie auf die Arbeitgeberseite so viel Druck ausüben kann, dass diese sich veranlasst sieht, sich auf Verhandlungen über tarifvertraglich regelbare Arbeitsbedingungen einzulassen.

Folge dieser Entscheidung über die Tarifunfähigkeit der CGZP ist, dass sämtliche mit der CGZP geschlossenen Tarifverträge von Anfang an unwirksam waren.

Daraus folgt, dass sich Ansprüche auf Nachzahlung von Arbeitsentgelt der Leiharbeitnehmer ergeben können, soweit die Ansprüche nicht verjährt oder durch Ausschlussfristen ausgeschlossen sind.

Darüber hinaus kommt die Inanspruchnahme von höheren Sozialversicherungsbeiträgen in Betracht.

Zu beachten ist, dass die Feststellung der mangelnden Tariffähigkeit der CGZP nicht lediglich Auswirkungen auf die Verträge entfalten, welche unmittelbar diesem Tarifvertrag unterfallen.

Vielmehr umfasst sind auch solche Unternehmen, beispielsweise Zeitarbeitsunternehmen, die Mitglied des Zeitarbeitgeberverbandes AMP waren beziehungsweise sind oder Haustarifverträge mit den christlichen Gewerkschaften geschlossen haben oder solche Tarifverträge einzelvertraglich in Bezug genommen haben.

Weiter ist zu beachten, dass nicht nur der Verleiher und Arbeitgeber für Beitragsschulden haftet, sondern auch der Entleiher.

Zunächst hat das Bundesarbeitsgericht festgestellt, dass die CGZP nicht tariffähig ist, das heißt einer Gegenwart bezogene Entscheidung getroffen.

Aus den Entscheidungsgründen lässt sich jedoch entnehmen, dass die Tariffähigkeit auch in der Vergangenheit nicht vorlag.

Mit dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts steht somit nicht lediglich fest, dass die CGZP keine Tarifverträge in der Zukunft mehr abschließen kann, sondern auch, dass diese ebenfalls in der Vergangenheit nicht tariffähig war.

Zu prüfen ist daher, ob Zeit-/Leiharbeitnehmer für die Vergangenheit einen Anspruch auf Nachzahlung von Arbeitsentgelt und Neuberechnung gewählter Sozialleistungen wie beispielsweise Arbeitslosengeld und die Sozialversicherungsträger Anspruch auf Nachzahlungen haben.

Konsequenz kann sein, dass den Leiharbeitnehmern, welche in der Vergangenheit nach dem Tariflohn des CGZP-Vertrages bezahlt wurden, eine höhere Vergütung zusteht.

Die Vergütungsansprüche würden sich auf die Differenz zwischen der Vergütung eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers (equal-pay) und dem gezahlten Tariflohn beziehen.

Die Praxisempfehlung:

I. Für die Geltendmachung/ Abwehr von Vergütungsansprüchen durch den Arbeitnehmer

• In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob eine wirksame Bezugnahme auf den CGZP-Vertrag beziehungsweise eine direkte Anwendbarkeit vereinbart wurde und damit die Entscheidung unmittelbar auf das eigene Arbeitsverhältnisse zutrifft.

• Da die Tariffähigkeit der CGZP bereits seit langem Gegenstand von gerichtlichen Verfahren war, sehen einige Arbeitsverträge eine Klausel vor, nach welcher für den Fall der Feststellung der Unwirksamkeit des Tarifvertrages statt dessen ein von der DGB-Tarifgemeinschaft vereinbarter Tarifvertrag zur Anwendung kommen soll.


• In diesem Fall ist zu überprüfen, ob diese Klausel wirksam vereinbart wurde.

• Sollte keine wirksame Vertragsklausel für den Fall, dass die Unwirksamkeit des CGZP-Tarifvertrages festgestellt wird, vereinbart worden sein, ist zu überprüfen, ob etwaige rückständige Vergütungsansprüche der Leiharbeitnehmer noch durchsetzbar sind oder aufgrund von Verjährungs- oder Ausschlussfristen ausgeschlossen sind.

• Für den Fall, dass dem Leiharbeitnehmer aufgrund der Unwirksamkeit des Tarifvertrages in der Vergangenheit ein höheres Arbeitsentgelt zugestanden hätte und somit auch die Beiträge zur Sozialversicherung höher gewesen wären, ist grundsätzlich eine Nachzahlung von Beiträgen zur Sozialversicherung vorzunehmen.

• Auch hier kann sich hinsichtlich der Differenz der Beiträge zur Sozialversicherung ein Anspruch der Beitragseinzugsstelle auf Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen ergeben.

• Diesbezüglich ist zu berücksichtigen, dass ein Nachzahlungsanspruch auch dann besteht, wenn dem Nachzahlungsanspruch des Leiharbeitnehmers Ausschlussfristen entgegenstehen.

II. Bei Inanspruchnahme durch den Sozialversicherungsträger auf Nachentrichtung von Beiträgen

• Beitragsansprüche verjähren nicht innerhalb der Regelverjährung von drei Jahren - wie das Arbeitsentgelt -, sondern in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge fällig geworden sind.
Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren erst in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind.

• In Fällen besonderer Härte kann die Einzugsstelle oder der Träger der Rentenversicherung im Rahmen einer Ermessensentscheidung die nachträgliche Sozialversicherungs-beitragsschuld des Verleihers niederschlagen, erlassen oder stunden.

• Für den Fall der Inanspruchnahme der Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen sollte überprüft werden, inwieweit die Voraussetzungen einer Stundung, des Niederschlags oder eines Erlasses nach § 76 Abs. 2 SGB IV vorliegen bzw. Verjährung eingetreten ist .
 

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Beate Puplick, Fachanwältin für Arbeitsrecht
Cordula Zimmermann, Fachanwältin für Arbeitsrecht

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