01 Februar

Vorsicht bei der Übernahme von Betriebsteilen!

Das Praxisproblem:
Der Kauf beziehungsweise die Übernahme eines Betriebes führt zu erheblichen Rechtswirkungen bei dem Übernehmer, insbesondere im Hinblick auf die Haftung für Verbindlichkeiten des übernommenen Betriebes und Verpflichtung zur Übernahme von Mitarbeitern zu gleichen Konditionen.


Gemäß § 613 a Abs. 1 BGB gehen die Rechte und Pflichten an den Übernehmer so über, wie sie zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehen.

§ 613 a Abs. 4 S. 1 BGB stellt ein eigenständiges Kündigungsverbot dar, das auch dann zu beachten ist, wenn das Kündigungsschutzgesetz auf ein Arbeitsverhältnis keine Anwendung findet.

Durch den Betriebsübergang wird der neue Betriebsinhaber Schuldner aller Verbindlichkeiten aus dem Arbeitsverhältnis, das heißt, er hat dieselben Löhne und Gehälter zu zahlen, welche der ehemalige Betriebsinhaber gezahlt hat.

Die in § 613 a BGB ausgeführten Rechtswirkungen eines Betriebsübergangs finden grundsätzlich auch dann Anwendung, wenn nicht ein ganzer Betrieb, sondern nur ein Betriebsteil durch Rechtsgeschäft erworben wird.

Die Entscheidung:

Rechtsprechung zur Frage des Betriebsübergangs:


Ein Betriebsübergang im Sinne von § 613 a BGB liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger die wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt.


Der Begriff „wirtschaftliche Einheit“ bezieht sich auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und Sachen zu einer auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung.

Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit unter Wahrung ihrer Identität übergegangen ist, sind sämtliche, den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen zu berücksichtigen.

Zu diesen Tatsachen zählen insbesondere die Art des betreffenden Betriebes, die Übernahme der immateriellen Betriebsmittel und der vorhandenen Organisation, der Grad der Ähnlichkeit mit der Betriebstätigkeit des bisherigen Inhabers die Weiterbeschäftigung der Hauptbelegschaft der Übergang von Kundschaft sowie eine eventuelle Unterbrechung der Betriebstätigkeit.
Der Betriebsübergang tritt mit dem Wechsel in der Person des Betriebsinhabers ein, also mit dem Wechsel der Personen, die für den Betrieb der übertragenen Einheit als Inhaber verantwortlich ist.

                                                  Vgl. und BAG 21.08.2008 - 8 AZR 201/07.

Ein Betriebsübergang liegt vor, wenn der neue Rechtsträger die wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer bisherigen Identität fortführt.


Ob die Identität gewahrt ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles.

Der Übergang eines Betriebsteils steht dabei für dessen Arbeitnehmer einem Betriebsübergang gleich.

                                                Vgl. BAG 13.02.2003 - 8 AZR 102/02.

Der Übergang eines Betriebes setzt den Übergang der wesentlichen Betriebsmittel voraus, worunter auch die immateriellen Betriebsmittel zu subsumieren sind, mit denen der Erwerber bestimmte arbeitstechnische Zwecke verfolgen kann.

Dabei ist nicht erforderlich, dass alle Wirtschaftsgüter, die zum Betrieb des alten Inhabers gehören, übergehen.

                                              Vgl. BAG 27.04.1995 - 8 AZR 197/94.


Eine aktuelle Entscheidung des

                               BAG vom 07.04.2011, Aktenzeichen 8 AZR 430/09,

verdeutlicht nochmals die Voraussetzungen eines Betriebsteilüberganges:


Der Kläger war bei der Wasserwerke GmbH beschäftigt, zuletzt als Abteilungsleiter im kaufmännischen Bereich.  Die GmbH war ursprünglich von zwei kommunalen Zweckverbänden gegründet worden,- zum einen durch den Trinkwasserzweckverband und zum anderen dem Abwasserzweckverband.  Die GmbH hatte für diese Gesellschaften die Aufgabe der Versorgung mit Trinkwasser und der Abwasserbeseitigung technisch wie kaufmännisch durchzuführen.  Bei der GmbH bestand u. a. eine technische Abteilung „Trinkwasser“, eine weitere technische Abteilung „Abwasser“ sowie eine kaufmännische Abteilung, die die Verwaltungsvorgänge beider Bereiche bearbeitete.  Auf Veranlassung der Kommunalaufsicht entschieden die Zweckverbände, die Aufgaben der Trinkwasserversorgung und der Abwasserbeseitigung selbst durchzuführen.  Soweit die dafür erforderlichen Betriebsmittel bei der GmbH waren, ließen sie sich diese durch Rechtsgeschäft übertragen.
Es wurden fast sämtliche Arbeitnehmer des technischen Bereichs mit neuen Arbeitsverträgen bei den beiden Zweckverbände eingestellt, die Techniker der Trinkwasserversorgung bei dem Trinkwasserzweckverband die der Abwasserbeseitigung bei dem Abwasserzweckverband. Lediglich einige Arbeitnehmer aus dem kaufmännischen Bereich der GmbH wurden von den Zweckverbänden eingestellt.
Der Kläger behauptete, im kaufmännischen Bereich der GmbH zu 80% Vorgänge aus der Abwasserbeseitigung bearbeitet zu haben. Infolge des Betriebsübergangs sei daher sein Arbeitsverhältnis auf den Abwasserzweckverband übergegangen.

Das Bundesarbeitsgericht wies die Klage mit Urteil vom 07.04.2011 Aktenzeichen 8 AZR 430/09 ab.

Einen Betriebsteil „kaufmännische Verwaltung Abwasser“ habe es bei der GmbH als übertragbare Einheit nicht gegeben.

Vielmehr hatte die GmbH organisatorisch nur die technischen Abteilungen „Trinkwasser“ und „Abwasser“ getrennt.
Keiner der Zweckverbände habe jedoch die für beide Bereiche zuständige kaufmännische Abteilung der GmbH übernommen.

In der Entscheidung ist das Bundesarbeitsgericht daher davon ausgegangen, dass ein Betriebsübergang bezogen auf den Kläger nicht stattgefunden hat, da der Betriebsteil der kaufmännischen Abteilung, welcher der Kläger zugeordnet war, nicht auf einen der Zweckverbände übergegangen sei.


Die Praxisempfehlung:

Aufgrund der mit einem Betriebsübergang zusammenhängenden, erheblichen rechtlichen Folgen für einen Übernehmer empfiehlt es sich, die Frage eines Betriebsübergangs rechtlich überprüfen zu lassen, auch wenn lediglich einzelne Einheiten eines Betriebes übernommen werden.


Erst unter Einbeziehung dieser Frage sollte entschieden werden, ob eine Übernahme ggf. trotz des Vorliegens eines Betriebsübergangs, wirtschaftlich sinnvoll ist.
 

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Beate Puplick, Fachanwältin für Arbeitsrecht
Cordula Zimmermann, Fachanwältin für Arbeitsrecht

 

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