10 Dezember

Mindestlohn: Ist eine Änderungskündigung zur Streichung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld zulässig?

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.08.2015, Az. 19 Sa 819/15, 19 Sa 827/15, 19 Sa 1156/15

Das Praxisproblem

Mit Datum vom 01.01.2015 wurde der grundsätzlich geltende Mindestlohn in Höhe von 8,50 € je Stunde gesetzlich festgeschrieben.

Das Mindestlohngesetz enthält keine Regelungen dazu, ob und inwieweit jährlich zusätzlich gezahlte Vergütungen, wie zum Beispiel Urlaubs- und Weihnachtsgeld bzw. Jahressonderzahlungen auf den Mindestlohn anzurechnen sind. Es wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass eine Anrechnung von Leistungen des Arbeitgebers auf den Mindestlohn nur dann zulässig ist, wenn hierdurch die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers vergütet werden soll.

Die Entscheidung

Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 28.01.1997 beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer. Sie hat einen Betrieb zur Herstellung von Baugruppen und elektronischen Komponenten. Der Kläger war mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von zuletzt 39 Stunden beschäftigt. Einschließlich Leistungszulage erhielt er einen Stundenlohn in Höhe von 6,76 € brutto. Zusätzlich zahlte die Beklagte ein Urlaubsgeld und ein Weihnachtsgeld.

Aufgrund der Einführung des Mindestlohnes ab dem 01.01.2015 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger. Sie bot ihm eine Weiterbeschäftigung an. Im Rahmen der Weiterbeschäftigung wurde der Stundenlohn auf 8,50 € erhöht. Gleichzeitig wurden das Urlaubs- und das Weihnachtsgeld ersatzlos gestrichen.

Nach Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg ist eine Urlaubsvergütung ein zusätzliches Urlaubsgeld. Die Funktion des zusätzlichen Urlaubsgeldes liegt jedoch nicht in der Vergütung der Normalleistung des Arbeitnehmers, sondern in der Kompensation von zusätzlichen Kosten, die dem Arbeitnehmer während der Erholung im Urlaub entstehen. Dementsprechend ist auch die Funktion des Weihnachtsgeldes nicht die Vergütung einer Normalleistung, sondern die Kompensation für zusätzlichen Aufwand am Jahresende. Sowohl das Urlaubsgeld als auch das Weihnachtsgeld stellen also keine Vergütung der Normalleistung dar.

Das LAG hat deswegen entschieden, dass die Änderungskündigung unwirksam ist. Denn es handele sich im vorliegenden Fall bei den gestrichenen Zahlungen um Leistungen, die nicht im engeren Sinn der Bezahlung der Arbeitsleistung dienten, sondern um zusätzliche Prämien. Da diese aber nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden können, stehen sie den Arbeitnehmern zusätzlich zu. Eine Änderungskündigung wäre bei Streichung dieser zusätzlichen Prämien nur dann wirksam gewesen, wenn der Bestand des Betriebes an sich mit den vorhandenen Arbeitsplätzen gefährdet sei. Dies konnte jedoch nicht festgestellt werden.

 

 

Praxisempfehlung

  1. Bei Änderungskündigungen, die dazu dienen sollen, den Mindestlohn sicherzustellen unter gleichzeitiger Streichung von Prämien oder sonstigen Zahlungen, ist zunächst zu prüfen, ob es sich bei den Prämien oder sonstigen Zahlungen um auf den Mindestlohn anrechenbare Vergütungsbestandteile handelt. Nur wenn dies bejaht werden kann, könnte eine Änderungskündigung begründet sein.
     
  2. Hat der Arbeitgeber Urlaubs- und Weihnachtsgeld gezahlt und will dieses jetzt durch eine Änderungskündigung einsparen um den Stundenlohn auf Mindestlohnniveau zu erhöhen, so ist dies nach der oben zitierten Rechtsprechung unzulässig.

Wir stehen Ihnen gerne jederzeit beratend zur Verfügung. Sprechen Sie uns an!

Beate Puplick  
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Fachanwältin für Familienrecht Wirtschaftsmediatorin

Cordula Zimmermann
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Text: Kanzlei Dr. Puplick & Partner GbR
Bildrechte

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