08 September

Wohnraummietrecht Teil II - In welchem Umfang kann der Mieter ein Zurückbehaltungsrecht an der Miete ausüben, wenn die Wohnung mangelhaft ist?

BGH, Urteil vom 17.06.2015, AZ VIII ZR 19/14

Das Praxisproblem

Hat die gemietete Wohnung einen Mangel steht dem Mieter ein Anspruch auf Mangelbeseitigung gemäß § 535 Abs. 1 Satz. 3 BGB zu.

Zur Durchsetzung dieses Anspruchs kann der Mieter die Miete gemäß § 320 BGB zurückbehalten. Seit Jahren strittig ist die Frage, in welcher Höhe das Zurückbehaltungsrecht besteht. Teilweise wird als Basis der Minderungsbetrag und teilweise die Höhe der Mangelbeseitigungskosten angenommen. Diese Basis wird dann regelmäßig mit dem Faktor 3 bis 5 multipliziert. Eine Obergrenze ergibt sich dann nur bei der Bezugnahme auf die Mangelbeseitigungskosten.

Die Entscheidung

Einer solch pauschalen Vorgehensweise hat der Bundesgerichtshof nun eine Absage erteilt und sich für eine stärkere Einzelfallbetrachtung ausgesprochen. Er hat hierzu ausgeführt:

Das dem Mieter neben der kraft Gesetzes eintretenden Minderung (§ 536 BGB) zustehende Recht, die Zahlung der (geminderten) Miete nach § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB zu verweigern, unterliegt nach seinem Sinn und Zweck sowie unter Berücksichtigung dessen, dass das durch den Mangel der Wohnung bestehende Ungleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung durch die Minderung wieder hergestellt ist, grundsätzlich einer zeitlichen und betragsmäßigen Begrenzung.

Bei der gemäß § 320 Abs. 2 BGB an dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) orientierten Beurteilung, in welcher Höhe und in welchem zeitlichem Umfang dem Mieter einer mangelbehafteten Wohnung neben der Minderung (§ 536 BGB) das Recht zusteht, die (geminderte) Miete zurückzuhalten, verbietet sich jede schematische Betrachtung. Die Frage ist vielmehr vom Tatrichter im Rahmen seines Beurteilungsermessens aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden.

Hieraus folgert der Bundesgerichtshof, dass bei der Miete von Wohnraum das Leistungsverweigerungsrecht insbesondere bei Mängeln, die die Gebrauchstauglichkeit nur in beschränktem Umfang mindern, schonend auszuüben ist und grundsätzlich sowohl einer zeitlichen als auch einer betragsmäßigen Beschränkung unterliegt. Ein zusätzlicher Einbehalt eines Teils der geschuldeten Miete für einen gewissen, etwas längeren Zeitraum komme ebenso in Betracht, wie der Einbehalt der gesamten Miete für einen kurzen Zeitraum.

Der Praxishinweis

  1. Das Zurückbehaltungsrecht wird in Zukunft nur zurückhaltend auszuüben sein.
     
  2. Weiterhin kann der Mieter jedoch neben der Zahlung einer nur geminderten Miete auf Mangelbeseitigung klagen, im Falle des Verzuges des Vermieters mit der Mangelbeseitigung Schadensersatz geltend machen (§ 536a Abs. 1 BGB), in geeigneten Fällen von der Befugnis Gebrauch machen, den Mangel selbst zu beseitigen Ersatz der Aufwendungen verlangen (§ 536a Abs. 2 BGB), einen Vorschuss in Höhe der zu erwartenden Mangelbeseitigungskosten verlangen, gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB kündigen und einen Kündigungsfolgeschaden geltend machen.
     
  3. Bei Klage auf Mangelbeseitigung ist wichtig, dass sich aus dem Klageantrag das geschuldete Ergebnis ergibt und nicht der genaue Reparaturweg. Die Selbstbeseitigung des Mangels wird nur in Betracht kommen, wenn der Schaden in der Wohnung beseitigt werden kann. Sind zur Mangelbeseitigung Arbeiten an der Gebäudehülle selbst, wie dies bei Schimmelschäden häufig der Fall sein kann, erforderlich, stößt der Mieter schnell an die Grenzen des Möglichen und zwar sowohl was die Realisierung angeht als auch bei der Frage, welcher Handwerker sich auf einen Mieterauftrag einlässt.
     
  4. Wird das Zurückbehaltungsrecht nicht mit der gebotenen Zurückhaltung ausgeübt, steht dem Vermieter wieder das Kündigungsrecht nach § 543 Abs. 2 BGB zu.
     
  5. Welche Rechte in Falle einer mangelhaften Mietwohnung tatsächlich geltend gemacht werden, muss genau und mit dem erforderlichen Augenmaß abgewogen werden. Auch als Vermieter müssen sie ihre Rechte kennen.

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Dr. Alexander Puplick, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Fachanwalt für Verwaltungsrecht
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