02 November

Darf bei der Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit ein Arbeitszeitkonto geführt werden, und ist ein Zeitguthaben abzugelten?

BAG, Urteil vom 23.09.2015, Az. 5 AZR 767/13

Steht der Führung eines Arbeitszeitkontos und der Abgeltung von Mehrarbeit der Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit entgegen?

Das Praxisproblem

Der Begriff „Vertrauensarbeitszeit“ bezeichnet ein Arbeitszeitmodell, bei dem der Arbeitnehmer eigenständig für die Einhaltung und aufgabengerechte Verteilung seiner Arbeitszeit verantwortlich ist. Das Arbeitszeitvolumen, das in einer bestimmten vorher festgelegten Arbeitszeit zu erbringen ist, wird in der Regel im Rahmen des Arbeitsvertrages zwischen den Parteien vereinbart. Der Arbeitgeber bringt also seinem Arbeitnehmer das Vertrauen entgegen, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung in der vereinbarten Arbeitszeit erbringt. Dieses Arbeitszeitmodell gewährleistet eine hohe Flexibilität. Eine elektronische Zeiterfassung erfolgt bei diesem Arbeitszeitmodell regelmäßig nicht.

Um die tatsächlich erbrachte Arbeitszeit nachhalten zu können, steht es den Parteien selbstverständlich frei, die Arbeitszeit aufzuschreiben und ein Arbeitszeitkonto zu führen. Ergibt sich unstreitig zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, dass der Arbeitnehmer Mehrarbeit erbracht hat, hat er einen Anspruch auf Abgeltung dieser Mehrarbeit durch Freizeit.

 

Die Entscheidung

Die Parteien stritten über die Auszahlung eines Arbeitszeitguthabens. Die Arbeitgeberin betreibt mehrere Textileinzelhandelsgeschäfte. Die Arbeitnehmerin wurde zum 01.06.2007 eingestellt. Sie erledigte Sekretariats- und Assistenztätigkeiten für die Geschäftsführung und leitete zuletzt das sogenannte „Back Office“. Ihre Hauptaufgaben verrichtete sie im Vorzimmer der Geschäftsführung. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer von der Arbeitnehmerin ausgesprochenen Kündigung zum 31.03.2012.

Die Parteien hatten eine flexible Arbeitszeit mit 163 Stunden pro Monat vereinbart. Mehr- bzw. Minderstunden sollten über ein Arbeitszeitkonto abgerechnet werden und bei Austritt aus dem Unternehmen mit dem durchschnittlichen Stundenlohn verrechnet werden. Kurz nach Aufnahme der Tätigkeit der Arbeitnehmerin bei der Arbeitgeberin vereinbarten die Parteien für die Arbeitszeit von 163, später 173 Stunden pro Monat Vertrauensarbeitszeit. Die Arbeitgeberin überreichte der Arbeitnehmerin für den Zeitraum 01.06.2007 bis zum 25.11.2008 eine Aufstellung, aus der sich der Beginn und das Ende ihrer Arbeitszeit sowie die Gesamtstunden und Pausen, als auch die bezahlten Arbeitszeiten ergaben. Aus dieser Aufstellung ergab sich eine Plus-Differenz von 414 Stunden. Bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfasste die Arbeitgeberin die Arbeitszeit der Arbeitnehmerin nicht mehr. Zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 31.03.2012 behauptete die Arbeitgeberin, dass das Arbeitszeitkonto ausgeglichen sei. Sie legte jedoch Aufzeichnungen zu erbrachten Arbeitszeiten ab dem 26.11.2008 nicht vor. Sie berief sich darauf, dass Vertrauensarbeitszeit vereinbart und deswegen ein Arbeitszeitkonto nicht zu führen gewesen sei.

Dieser Auffassung hat das BAG in seiner Entscheidung widersprochen. Das BAG nimmt an, dass die Arbeitnehmerin 414 Stunden Mehrarbeit geleistet hat. Dies leitet das BAG daraus ab, dass die Arbeitgeberin zwar behauptet, das Arbeitszeitkonto sei zum Beendigungszeitpunkt ausgeglichen gewesen, jedoch keinen Nachweis über Minusstunden ab dem 26.11.2008 vorlegt.

Das BAG hat in dem Streitfall insbesondere aufgrund der arbeitsvertraglichen Vereinbarung die Führung eines Arbeitszeitkontos auch im Rahmen einer vereinbarten Vertrauensarbeitszeit für zulässig erachtet. Denn Vertrauensarbeitszeit bedeute nur, dass der Arbeitgeber auf die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit verzichte und darauf vertraue, der betreffende Arbeitnehmer werde seine Arbeitspflicht in zeitlicher Hinsicht auch ohne Kontrolle erfüllen. Die Vereinbarung stehe deswegen der Führung eines Arbeitszeitkontos nicht entgegen, noch schließt die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit die Abgeltung eines aus Mehrarbeit des Arbeitnehmers resultierenden Zeitguthabens aus.

 

Praxisempfehlung

Die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit ermöglicht eine hohe Flexibilität im Hinblick auf die Gestaltung der Arbeitszeit. Die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit beinhaltet aber nicht, dass Arbeitnehmer verpflichtet sind, ohne Ausgleich unbegrenzt Mehrarbeit zu erbringen. Mehrarbeit kann nach der Rechtsprechung nur in engen Grenzen pauschal mit dem regelmäßigen Entgelt abgegolten werden. Dies bedarf einer ausdrücklichen Vereinbarung.

 

Gelesen 2447 mal

Wir brauchen Ihre Zustimmung!

Diese Webseite verwendet Google Maps um Kartenmaterial einzubinden. Bitte beachten Sie, dass hierbei Ihre persönlichen Daten erfasst und gesammelt werden können.
Um die Google Maps Karte zu sehen stimmen Sie bitte zu, dass diese vom Google-Server geladen wird. Weitere Informationen finden sie HIER