10 Dezember

Kann eine Kündigung im Kleinbetrieb eine Altersdiskriminierung sein?

BAG, Urteil vom 23.07.2015, Az. 6 AZR 457/14

Das Praxisproblem

Beweist ein Arbeitnehmer Indizien, die eine Benachteiligung wegen des Alters vermuten lassen, muss der Arbeitgeber beweisen, dass diese Vermutung unrichtig ist.

Kann er dies nicht, ist eine Kündigung auch im Kleinbetrieb unwirksam. Der Arbeitnehmer hat einen Entschädigungsanspruch.

Die Entscheidung

Die am 20.01.1950 geborene Klägerin war seit 1991 in einer Arztpraxis als Arzthelferin tätig. Sie war zuletzt überwiegend im Labor eingesetzt worden. Die Praxis wurde umstrukturiert. Der Klägerin wurde ordentlich mit Wirkung zum 31.12.2013 wegen Veränderungen im Laborbereich gekündigt. Dabei führten die Gesellschafter der Arztpraxis unter anderem aus, dass die Klägerin im Übrigen „inzwischen pensionsberechtigt“ sei. Wörtlich heißt es in der Kündigung: „… seit über 20 Jahren gehen wir nun beruflich gemeinsame Wege. Wir haben in dieser Zeit viel erlebt, auch manche Veränderung. Inzwischen bist Du pensionsberechtigt und auch für uns beginnt ein neuer Lebensabschnitt in der Praxis.“

Anderen Beschäftigten wurde nicht gekündigt. Die Klägerin erhob gegen diese Kündigung Kündigungsschutzklage und verlangte die Entschädigung wegen Altersdiskriminierung. Sie führte aus, dass das Kündigungsschreiben eine Benachteiligung wegen ihres Alters vermuten lasse. Die Gesellschafter der Arztpraxis versuchten, diese Vermutung zu widerlegen und führten aus, die Kündigung sei wegen eines zu erwartenden Entfalls von 70% bis 80% der abrechenbaren Laborleistungen erfolgt. Die Klägerin sei mit den übrigen Arzthelferinnen nicht vergleichbar, weil sie schlechter qualifiziert sei. Im Übrigen habe man das Kündigungsschreiben lediglich freundlich und verbindlich formulieren wollen.

Das BAG hat entschieden, dass die Kündigung unwirksam ist. Sie verstoße gegen § 7 Abs. 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Nach Auffassung des BAG konnte die Arztpraxis keinen ausreichenden Beweis dafür bieten, dass die wegen der Erwähnung der „Pensionsberechtigung“ zu vermutende Altersdiskriminierung nicht vorliege. Die Höhe des Entschädigungsanspruches wird durch das Landesarbeitsgericht noch zu bestimmen sein.

Praxisempfehlung

In Kleinbetrieben, also in Betrieben mit in der Regel 10 oder weniger Arbeitnehmern gilt das Kündigungsschutzgesetz nicht. Eine Kündigung ist daher grundsätzlich unter Beachtung der Kündigungsfristen jederzeit ohne Begründung möglich. In solchen Kleinbetrieben sollte daher ein Kündigungsgrund nicht angegeben werden. Auch eine beabsichtigte lediglich freundliche und verbindliche Formulierung eines Kündigungsgrundes kann dazu führen, dass die Kündigung unwirksam ist.

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Beate Puplick, Fachanwältin für Arbeitsrecht
Cordula Zimmermann, Fachanwältin für Arbeitsrecht

 

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