LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.01.2014, Az. 1 Sa 17/13
Besteht ein Rechtsanspruch auf die künftige kostenlose Nutzung eines Betriebsparkplatzes?
Das Praxisproblem:
Durch das Rechtsinstitut der betrieblichen Übung können für einen Arbeitgeber vertragliche Ansprüche erwachsen, ohne dass diese zuvor vertraglich vereinbart wurden.
Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen eines Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, Ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Dieses als Vertragsangebot zu wertende Verhalten des Arbeitgebers wird von den Arbeitnehmern durch widerspruchslose Inanspruchnahme der Leistung angenommen.
Eine betriebliche Übung ist für jeden Gegenstand vorstellbar, der arbeitsvertraglich in einer allgemeinen Form geregelt werden kann. Entscheidend für die Entstehung des Anspruchs ist jedoch nicht nur der Verpflichtungswille des Arbeitgebers sondern auch wie der Erklärungsempfänger das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen musste und durfte.
Der bekannteste Fall der betrieblichen Übung des Anspruchs aus einer betrieblichen Übung ist die Weihnachtsgratifikation: Danach besteht ein Anspruch auf betrieblicher Übung, wenn der Arbeitgeber drei Mal vorbehaltlos eine Weihnachtsgratifikation geleistet hat.
Besteht eine solche betriebliche Übung jedoch auch im Hinblick auf die Nutzung eines Betriebsparkplatzes?
Die Entscheidung:
Die Parteien streiten darüber, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, dem Arbeitnehmer einen kostenfreien Parkplatz auf dem Parkplatz des Klinikgeländes zur Verfügung zu stellen. Im Jahr 2001 entfielen die alten Stellplätze aufgrund Neu- und Umbaumaßnahmen. Es wurde ein neuer Parkbereich angelegt, der Patienten, Besuchern, Anwohnern und Mitarbeitern gegen Entgelt ab Januar 2012 zur Verfügung gestellt wurde. Für die Mitarbeiter erhob der Arbeitgeber pro Stunde eine Parkgebühr von 0,10 €, eine Tagespauschale von maximal 0,70 € und eine Monatskarte von ca. 12,00 €. Von sonstigen Nutzern des Parkbereiches wurden pro angefangene Stunde 1,50 € verlangt.
Der Arbeitnehmer vertrat die Auffassung, dass der Arbeitgeber verpflichtet sei, weiterhin kostenfrei Parkplätze kraft betrieblicher Übung zur Verfügung zu stellen.
Das Landesarbeitsgericht hat entschieden, dass der Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch auf eine künftige kostenlose Nutzung eines Betriebsparkplatzes kraft betrieblicher Übung hat, wenn der Arbeitgeber im Zusammenhang mit Neubaumaßnahmen die bisherige Parkplatzanlage beseitigt und unter erheblichen Aufwendungen eine neue Parkplatzfläche schafft.
In diesem Fall dürfen die Arbeitnehmer auch bei einer jahrelangen kostenlosen Nutzung des Betriebsparkplatzes nicht berechtigterweise davon ausgehen, der Arbeitgeber werde auch künftig kostenlose Parkplätze bereitstellen.
Die Praxisempfehlung:
- Zur Vermeidung von möglichen Ansprüchen aus betrieblicher Übung raten wir, die Mitarbeiter bei der Gewährung der Leistung schriftlich darauf hinzuweisen, dass es sich um eine freiwillige Leistung handelt, auf die kein Rechtsanspruch besteht.
- Dies gilt nicht nur bei freiwilligen Zahlungsansprüchen, sondern auch bei der Gewährung sonstiger geldwerter Vorteile.
Gerne formulieren wir Sie rechtssichere Freiwilligkeitsvorbehalte und prüfen, ob eine betriebliche Übung bereits entstanden ist.
Wir stehen Ihnen gerne jederzeit beratend zur Verfügung. Sprechen Sie uns an!
Beate Puplick, Fachanwältin für Arbeitsrecht
Cordula Zimmermann, Fachanwältin für Arbeitsrecht