BAG, Urteil vom 27.05.2019, 5 AZR 387/19
Das Praxisproblem
Ein Kündigungsschutzprozess zieht sich über Monate oder gar Jahre hin. Der Arbeitgeber verliert in letzter Instanz und die Unwirksamkeit der Kündigung steht fest.
Für den Arbeitgeber besteht gemäß § 11 Kündigungsschutzgesetz grundsätzlich die Pflicht, die seit Ablauf der Kündigungsfrist entstandenen Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers nachzuzahlen. Der Arbeitgeber befindet sich im Annahmeverzug.
Nach § 11 Nr. 2 Kündigungsschutzgesetz muss sich der Arbeitnehmer jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er in dieser Zeit tatsächlich an Einkünften erzielt hat oder auch fiktive Einkünfte, wenn er es böswillig unterlassen hat, andere Einkünfte zu erzielen.
Dass ein Arbeitnehmer böswillig unterlassen hat, eine andere Beschäftigung einzugehen, ist für einen Arbeitgeber kaum zu beweisen. Diesem ist nicht bekannt, ob und welche Jobangebote der Arbeitnehmer während des laufenden Kündigungsprozesses möglicherweise erhalten hat.
Hier hat das BAG Abhilfe geschaffen.
Die Entscheidung
Der Arbeitnehmer war seit Juni 1996 als Bauhandwerker bei der Arbeitgeberin beschäftigt.
Seit dem Jahre 2011 sprach die Arbeitgeberin mehrere Kündigungen gegenüber dem Arbeitnehmer aus. Sämtliche Kündigungen hat der Arbeitnehmer erfolgreich mit einer Kündigungsschutzklage angegriffen.
Seit Februar 2013 zahlte die Arbeitgeberin keine Vergütung mehr an den Arbeitnehmer, sodass der Arbeitnehmer Klage auf Zahlung von Vergütung wegen Annahmeverzug für die Zeit ab Februar 2013 erhob.
Die Arbeitgeberin erhob den Einwand, dass es der Arbeitnehmer böswillig unterlassen habe, anderweitigen Verdienst zu erzielen. Die Arbeitgeberin verlangte vom Arbeitnehmer zunächst Auskunft über die von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter unterbreiteten Stellenangebote Dritter.
Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass der Arbeitnehmer ihm die ihm von der Agentur für Arbeit oder dem Jobcenter unterbreiteten Vermittlungsvorschläge unter Nennung von Tätigkeit, Arbeitsort und Vergütung mitteilen muss.
Der Arbeitnehmer sei gesetzlich verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes des Arbeitsverhältnisses persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden und aktiv bei der Vermeidung und Beendigung der Arbeitslosigkeit mitzuwirken. Er müsse Vermittlungsangebote der Bundesagentur für Arbeit oder des Jobcenters daher grundsätzlich auch in Anspruch nehmen.
Bei der Bundesagentur für Arbeit und dem Jobcenter könne man aufgrund der gesetzlichen Verpflichtungen zur Unterbreitung von Vermittlungsangeboten davon ausgehen, dass entsprechende Vermittlungsversuche erfolgten.
Unterlasse es der Arbeitnehmer, ein zumutbares Vermittlungsangebot anzunehmen, könne dies ein böswilliges Unterlassen darstellen.
Insoweit sei die Arbeitgeberin auf die Auskunft des Arbeitnehmers angewiesen. Die Bundesagentur für Arbeit oder das Jobcenter dürften ihr aufgrund des Sozialgeheimnisses keine Auskunft erteilen.
Nur wenn die Arbeitgeberin Informationen über erfolgte Vermittlungsvorschläge erlangt, könne sie prüfen, ob der gekündigte Arbeitnehmer eine zumutbare, anderweitige Beschäftigung abgelehnt und dadurch böswillig anderweitigen Verdienst unterlassen hat. Der Arbeitnehmer könne erforderlichenfalls begründen, warum ihm etwaige Vermittlungsvorschläge unzumutbar waren.
Praxisempfehlung
Im Falle eines sich abzeichnenden, lang andauernden Kündigungsschutzprozesses empfehlen wir Ihnen als Arbeitgeber, vorsorglich den Arbeitsmarkt zu beobachten und geeignete Stellenangebote für den gekündigten Arbeitnehmer an diesen weiterzuleiten.
Jedenfalls sollten Sie geeignete Stellenangebote dokumentieren.
Gerne beraten wir Sie!
Beate Puplick, Rechtsanwältin und Notarin und Fachanwältin für Arbeitsrecht, Fachanwältin für Familienrecht, Wirtschaftsmediatorin