Auf einem Nachbargrundstück wird gebaut. Sie haben von der Bauaufsichtsbehörde nicht mitgeteilt erhalten, dass dem Nachbarn eine Baugenehmigung erteilt worden ist.
17 Juni

Auf einem Nachbargrundstück wird gebaut. Sie haben von der Bauaufsichtsbehörde nicht mitgeteilt erhalten, dass dem Nachbarn eine Baugenehmigung erteilt worden ist.

Sie wollen gegen den Bau vorgehen. Wann müssen Sie spätestens tätig werden?

VerfGH NRW, Urteil vom 17.12.2019, Az. 56/19.VB.3

Das Praxisproblem

Der Eigentümer des Nachbargrundstücks entfaltet Tätigkeiten, die darauf schließen lassen, dass er ein Gebäude errichten will.

Die ihm erteilte Baugenehmigung wurde den Nachbarn von Seiten der Bauaufsichtsbehörde aber nicht zugestellt oder sonst bekannt gemacht.

Wie lange kann der Nachbar gerichtlich gegen diese Baugenehmigung vorgehen?

Die Entscheidung

Das Verwaltungsgericht hat darauf abgestellt, ab wann der klagende Nachbar sichere Kenntnis von der Bautätigkeit und damit dem (voraussichtlichen) Vorliegen einer Baugenehmigung gehabt hat. Innerhalb eines Jahres ab diesem Zeitpunkt, so das Verwaltungsgericht, muss der Nachbar Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung erheben. Im konkreten Einzelfall hat das Verwaltungsgericht dabei auf den Einbau der Kellerdecke abgestellt und angenommen, dass der klagende Nachbar spätestens zu diesem Zeitpunkt eine sichere Kenntnis von der Bautätigkeit gehabt hat.

Das VerfGH NRW hat die erstinstanzliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestätigt. Da der Nachbar im konkreten Fall mehr als ein Jahr bis zur fast vollständigen Fertigstellung des Gebäudes des Nachbarn zugewartet hat, hat der Verfassungsgerichtshof eine Verwirkung des Anfechtungsrechts des Nachbarn angenommen.

Der Nachbar hat die ihm im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis obliegende Treuepflicht verletzt, durch zumutbares aktives Tun daran mitzuwirken, einen wirtschaftlichen Schaden des Bauherrn zu vermeiden oder gering zu halten.

Dies verstößt nicht gegen Gebot effektiven Rechtsschutzes aus Art. 4 Abs. 1 der nordrhein-westfälischen Landesverfassung i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG. Nach dem auch im Prozessrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben kann die Befugnis zur Anrufung der Gerichte im Einzelfall der Verwirkung unterliegen.

Ob im Einzelfall Verwirkung eingetreten ist, ist eine Frage der Würdigung des Sachverhalts und der Anwendung des einfachen, nicht des Verfassungsrechts. Diese Prüfung ist grundsätzlich allein von den Fachgerichten zu verantworten und insofern der verfassungsgerichtlichen Nachprüfung entzogen.

Von einer willkürlichen Annahme der Verwirkung kann jedenfalls dann nicht die Rede sein, wenn der Zeitraum, auf den dabei abgestellt wird, nicht zu kurz bemessen ist und die rechtzeitige Anrufung des Gerichts dem betroffenen Nachbarn möglich, zumutbar und von ihm zu erwarten war.

Die Einräumung einer Frist von einem Jahr ab sicherer Kenntnis von der Bautätigkeit zur Erhebung einer Anfechtungsklage ist nicht zu kurz bemessen, so der Verfassungsgerichtshof.

 

Die Praxisempfehlung

Wer die Baugenehmigung eines Nachbarn gerichtlich überprüfen lassen will, muss spätestens innerhalb eines Jahres ab sicherer Kenntnis von der Bautätigkeit Klage erheben.

Lassen Sie sich frühzeitig beraten, um nicht das Risiko einzugehen, alleine aus formalen Gründen gegen eine dem Nachbarn erteilte Baugenehmigung nicht mehr vorgehen zu können.

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