Kann ein Arbeitnehmer wegen des Verdachts der Zugehörigkeit zu einer extremistischen Gruppe gekündigt werden?
16 April

Kann ein Arbeitnehmer wegen des Verdachts der Zugehörigkeit zu einer extremistischen Gruppe gekündigt werden?

LAG Niedersachsen, Urteil vom 12.03.2018, 15 Sa 319/17

Das Praxisproblem

Verstößt der Arbeitnehmer in gravierender Weise gegen seine vertraglichen Pflichten, d.h. begeht er zum Beispiel eine Straftat zulasten des Arbeitgebers,

eines Arbeitskollegen oder eines Kunden, kann der Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund aussprechen.

In der nachfolgend dargestellten Entscheidung musste sich das LAG Niedersachsen mit der Frage befassen, ob der bloße Verdacht der Zugehörigkeit zur radikal militanten Jihad-Bewegung und der damit verbundenen Strafbarkeit wegen Terrorismusfinanzierung gemäß § 89c StGB (Strafgesetzbuch) für die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ausreichend ist.

 

Die Entscheidung

Der Kläger war bei der Beklagten seit 2008 als Montagewerker beschäftigt. Ende 2016 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zunächst außerordentlich und sodann ordentlich. Sie begründete die Kündigungen mit dem bestehenden Verdacht, dass sich der Kläger der radikal militanten Jihad-Bewegung anschließen werde und damit den Straftatbestand der Terrorismusfinanzierung (§ 89c StGB) erfüllen werde. Daher störe der Kläger den Betriebsfrieden und die betriebliche Sicherheit.

Der Verdacht der Beklagten wurzelte darin, dass die Bundespolizei eine vom Kläger beabsichtigte Flugreise nach Istanbul aufgrund einer Ausschreibung zur Grenzfahndung vereitelte und ihm daraufhin den Reisepass entzog. Eine gegen den Entzug gerichtete Klage vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig wurde zurückgewiesen (Urteil vom 07.09.2016, Az.: 5 A 99/15). Das Verwaltungsgericht war der Auffassung, dass ein hinreichend schwerer Verdacht bestehe, dass der Kläger in einem jihadistischen Netzwerk agierte und die Ausreise in der Absicht erfolgte, sich einer jihadistischen Organisation anzuschließen.

Gegen die Kündigungen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab, weshalb der Kläger Berufung vor dem LAG Niedersachsen einlegte.

Das LAG entschied, dass die von der Beklagten ausgesprochenen Kündigungen unwirksam sind. Der bloße Verdacht einer Zugehörigkeit zur radikal militanten Jihad-Bewegung und der damit begründete präventive Entzug des Reisepasses seien für eine Kündigung nicht ausreichend. Vielmehr bedürfe es einer konkreten Störung des Arbeitsverhältnisses. Die Beklagte habe aber weder eine solche konkrete Störung aufzeigen können, noch, dass der Kläger den Frieden oder die Sicherheit im Betrieb stören könnte. Rein außerdienstliche Umstände könnten weder die ordentliche noch die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage ließ das LAG Niedersachsen die Revision zum Bundesarbeitsgericht zu.

 

Praxisempfehlung

Übereinstimmend mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geht das LAG davon aus, dass eine Verdachtskündigung wegen einer Straftat nur dann in Betracht zu ziehen ist, wenn die Straftat einen konkreten Bezug zum Arbeitsverhältnis hat und so zu einer konkreten Störung des Arbeitsverhältnisses führt.

Das LAG Niedersachsen kam vorliegend zu dem Ergebnis, dass die mutmaßliche Zugehörigkeit zu einem jihadistischen Netzwerk und der Verdacht der Begehung der Terrorismusfinanzierung keinerlei Bezug zur Tätigkeit des Klägers bei der Beklagten aufweisen. Es fehle gerade an der konkreten Störung des Arbeitsverhältnisses.

Unter bestimmten Voraussetzungen kann auch die Störung des Betriebsfriedens und der betrieblichen Sicherheit einen Kündigungsgrund darstellen. Dies setzt jedoch voraus, dass der Arbeitgeber konkrete Tatsachen vorträgt, die auf eine Störung des Betriebsfriedens und der betrieblichen Sicherheit schließen lassen.

Wir stehen Ihnen gerne jederzeit beratend zur Verfügung. Sprechen Sie uns an!

 

Beate Puplick Fachanwältin für Arbeitsrecht,

Fachanwältin für Familienrecht, Wirtschaftsmediatorin

Gelesen 1041 mal

Wir brauchen Ihre Zustimmung!

Diese Webseite verwendet Google Maps um Kartenmaterial einzubinden. Bitte beachten Sie, dass hierbei Ihre persönlichen Daten erfasst und gesammelt werden können.
Um die Google Maps Karte zu sehen stimmen Sie bitte zu, dass diese vom Google-Server geladen wird. Weitere Informationen finden sie HIER