Unterliegt eine vom Arbeitgeber betriebene Facebook-Seite der Mitbestimmung des Betriebsrates, wenn über die Funktion „Besucher-Beiträge“ Postings von Nutzern von Facebook zum Verhalten und zur Leistung der beschäftigten Arbeitnehmer eingestellt werd
26 Juni

Unterliegt eine vom Arbeitgeber betriebene Facebook-Seite der Mitbestimmung des Betriebsrates, wenn über die Funktion „Besucher-Beiträge“ Postings von Nutzern von Facebook zum Verhalten und zur Leistung der beschäftigten Arbeitnehmer eingestellt werd

Die Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, Verhalten und Leistung von Arbeitnehmern zu überwachen unterliegen dem Recht zur Mitbestimmung des Betriebsrates.

Höchst umstritten war bislang, ob die Möglichkeit des Kunden, z.B. über Facebook, Beurteilungen über Beschäftigte eines Unternehmens abzugeben eine solche technische Einrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG darstellt.

BAG, Beschluss vom 13.12.2016, Az. 1 ABR 7/15

Das Praxisproblem

Nutzt der Arbeitgeber technische Einrichtungen, die möglicherweise unter anderem auch das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern überwachen können, besteht immer ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates. Häufig ist es eine Frage der Anwendung, ob das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern überwacht wird oder überwacht werden soll. Das Betriebsverfassungsgesetz stellt aber nicht darauf ab, ob eine technische Einrichtung tatsächlich verwendet werden soll, um das Verhalten und die Leistung von Arbeitnehmern zu kontrollieren. Das Gesetz und damit die Rechtsprechung stellen ausschließlich darauf ab, ob die technischen Einrichtungen geeignet sind, um das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern zu überwachen.

Die Entscheidung

Die beklagte Arbeitgeberin ist das herrschende Unternehmen eines Konzerns, der Blutspendedienste betreibt. Hier sind ca. 1.300 Arbeitnehmer beschäftigt. Täglich werden durchschnittlich 40 Blutspendetermine durchgeführt. Diese Blutspendetermine werden von einem oder mehreren Ärzten sowie von drei bis sieben weiteren Mitarbeitern durchgeführt.

Seit dem 15.04.2013 unterhielt die beklagte Arbeitgeberin bei Facebook die Seite „www.face-book.com/d“. Die Seite wird mittels einer internetbasierten Software, die von Facebook zur Verfügung gestellt wird, gestaltet. Die Seite ermöglicht es registrierten Nutzern, „Besucher-Beiträge“ einzustellen, also zu posten.

Der bei der Beklagten bestehende Konzernbetriebsrat war der Auffassung, dass das Anmelden und das Betreiben der Facebook-Seite unter Verstoß gegen die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates erfolgt sei.

Das BAG vertritt die Auffassung, dass das Anmelden und Betreiben der in Streit stehenden Facebookseite einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrates begründet, wenn dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nicht eingeräumt wurde.

Es hält den vom Konzernbetriebsrat geltend gemachten Unterlassungsanspruch insoweit für begründet, soweit er sich im konkreten Fall ausschließlich auf die Änderung der bei Facebook bestehenden „Einstellungen“ bezieht. Diese Änderung kann die beklagte Arbeitgeberin durchführen, ohne den Betrieb der Facebookseite insgesamt einzustellen. Weiterhin betont das BAG, dass der Unterlassungsanspruch keine grobe Pflichtverletzung des Arbeitgebers voraussetzt. Der Unterlassungsanspruch bestehe immer dann, wenn Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates verletzt seien.

Sodann stellt das BAG klar, dass vorhandene EDV-Einrichtungen, mit denen eine von Facebook bereitgestellte webbasierte Software genutzt werden kann, eine technische Einrichtung darstellen.

Diese technische Einrichtung, auch wenn sie nicht zu diesem Zweck eingerichtet wurde, ermöglicht über die Funktion „Besucher-Beiträge“ eine Überwachung des Verhaltens und der Leistung der im Konzern beschäftigten Arbeitnehmer. Hierdurch wird deren allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt. Grundsätzlich soll jeder selbst entscheiden können, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden. Grundsätzlich soll also jeder selbst die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten gegenüber Dritten und der Öffentlichkeit bestimmen können. Diese persönliche Entscheidung ist durch die Facebookseite ausgeschlossen.  

Auch wenn die Facebookseite mit der eingerichteten Funktionen „Besucher-Beiträge“ seitens der beklagten Arbeitgeberin nicht dazu bestimmt gewesen sei, Arbeitnehmer zu überwachen, so reicht doch bereits das Sammeln von Informationen mit der Option, Verhaltens- oder Leistungsdaten verarbeiten zu können bereits aus, um eine Überwachung zu begründen.

Die Überwachung, so das BAG, erfolge zuletzt mithilfe einer technischen Einrichtung, denn aufgrund der Funktionen „Besucher-Beiträge“ und mittels der von Facebook eingesetzten Software, war eine dauerhafte Speicherung und ein zeitlich unbegrenzter Zugriff auf die eingegebenen Daten möglich. Zudem seien diese Daten, so das BAG, über die Facebookseite dauerhaft öffentlich zugänglich.

Das BAG hat die beklagte Arbeitgeberin verpflichtet, es zu unterlassen, den Nutzern der Internetplattform Facebook die Seite www.facebook.com/d zur Übermittlung von „Postings“ Informationen zur Verfügung zu stellen, solange nicht die Zustimmung des Konzernbetriebsrates vorliegt.

Praxisempfehlung

Soweit technische Einrichtungen in einem Unternehmen angeschafft oder eingesetzt werden, die grundsätzlich geeignet sind, das Verhalten und die Leistung von Arbeitnehmern zu überwachen und besteht in dem Unternehmen ein Betriebsrat, hat der Betriebsrat immer ein Mitbestimmungsrecht. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber nicht beabsichtigt, die technische Einrichtung zur Überwachung des Verhaltens und der Leistung von Arbeitnehmern einzusetzen.

Sollte Unsicherheit darüber bestehen, ob der Einsatz einer bestimmten technischen Einrichtung unter das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates fällt, stehen wir Ihnen für eine entsprechende Prüfung und Auskunft gerne zur Verfügung.

Wir stehen Ihnen gerne jederzeit beratend zur Verfügung. Sprechen Sie uns an!

Beate Puplick  Fachanwältin für Arbeitsrecht
Fachanwältin für Familienrecht Wirtschaftsmediatorin
Cordula Zimmermann Fachanwältin für Arbeitsrecht

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