10 Juli

Wann ist eine Ausbildungsvergütung unangemessen?

Kann ein Auszubildender nach Beendigung seiner Ausbildung weitergehende Vergütungsansprüche mit der Behauptung geltend machen, die vereinbarte Vergütung sei unangemessen gewesen?

 

Das Praxisproblem:

Nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) haben Auszubildende Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Ob die Vergütung als angemessen anzusehen ist, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle. Anhaltspunkt sind dabei die einschlägigen Tarifverträge und zwar auch dann, wenn der Betrieb nicht tarifgebunden ist. Eine Ausbildungsvergütung ist nach der Rechtsprechung jedenfalls dann in der Regel nicht angemessen, wenn sie die in einem einschlägigen Tarifvertrag enthaltene Vergütung um mehr als 20 v.H. unterschreitet (grundlegend hierzu die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 22.01.2008, Az. 9 AZR 999/06).

Die Entscheidung:

In dem der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 26.03.2013, Az. 3 AZR 101/11 zu Grunde liegenden Fall wurde der Kläger im Betrieb der Beklagten zum Konstruktionsmechaniker, Fachrichtung Stahl- und Metallbau ausgebildet. Das beklagte Unternehmen ist nicht tarifgebunden. In dem Ausbildungsvertrag vereinbarten die Parteien, dass die Vergütung monatlich 310,00 € brutto im ersten, 340,00 € brutto im zweiten, 390,00 € brutto im dritten und 400,00 € brutto im vierten Ausbildungsjahr beträgt.

Ein Tarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie in Sachsen-Anhalt sah im streitgegenständlichen Zeitraum eine monatliche Brutto-Ausbildungsvergütung i.H.v. 647,00 € im ersten, 725,00 € bzw. 755,00 € im zweiten, 820,00 € bzw. 834,00 € brutto im dritten und 893,00 € bzw. 937,00 € im vierten Ausbildungsjahr vor. Nach einem Tarifvertrag für das Karosserie- und Fahrzeugbauhandwerk betrug die monatliche Brutto-Ausbildungsvergütung hingegen nur 250,00 € im ersten, 276,00 € im zweiten, 327,00 € im dritten und 368,00 € im vierten Ausbildungsjahr.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die vereinbarte Ausbildungsvergütung sei unangemessen, da die vereinbarte Vergütung die Vergütung des Metall- und Elektroindustrie Tarifvertrages um mehr als 20 v.H. unterschreite.

Für die Beurteilung der Angemessenheit der Ausbildungsvergütung sei vorgenannter Vertrag zu berücksichtigen, da das Unternehmen dem fachlichen Geltungsbereich dieses Vertrages unterfällt. Der Kläger verlangte rückständige Ausbildungsvergütung für die letzten Jahre. Das Arbeitsgericht erster Instanz wies die Klage ab, die Berufung wurde durch das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen.

Mit der Revision vor dem Bundesarbeitsgericht verfolgte der Kläger seinen Antrag weiter.

Doch auch das Bundesarbeitsgericht gab der Klage des Auszubildenden nicht statt. Die Beurteilung der Frage, ob ein Betrieb dem Handwerk zuzuordnen sei oder ob es sich um einen Industriebetrieb handele, obläge in erster Linie den Gerichten der Tatsacheninstanzen. Nach Ansicht der Vorinstanzen konnte der Kläger die von ihm behauptete Zuordnung des Unternehmens zur Metallindustrie nicht ausreichend darlegen und beweisen. Dieses war nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes nicht zu beanstanden.

Die Praxisempfehlung:

  1. Auszubildende können auch nach Abschluss der Ausbildung Differenzausbildungsvergütungsansprüche mit der Behauptung der unangemessenen Bezahlung geltend machen. Vereinbaren Sie in dem Arbeitsvertrag Ausschlussfristen, so dass das Risiko einer Nachzahlungsverpflichtung zeitlich begrenzt wird.
     
  2. Orientieren Sie sich bei der Bemessung der Höhe der Ausbildungsvergütung an den Tarifverträgen, die fachlich anwendbar sein können, auch wenn Ihr Unternehmen nicht tarifgebunden ist.
     
  3. Holen Sie in Zweifelsfällen über die Industrie- und Handelskammer oder die Handwerkskammer eine Einschätzung über die Angemessenheit der Vergütung ein.
     

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Beate Puplick, Fachanwältin für Arbeitsrecht, Fachanwältin für Familienrecht, Wirtschaftsmediatorin
Cordula Zimmermann, Fachanwältin für Arbeitsrecht

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