01 Januar

Der Verbrauchermarkt in der Nachbarschaft

Das Praxisproblem:

Bedingt durch die Großflächigkeit ist bei Errichtung und Betrieb eines Verbrauchermarktes mit erheblichen Auswirkungen auf die nachbarliche Wohnbebauung zu rechnen.


Dazu gehören zwangsläufig ein erhöhtes Verkehrsaufkommen und eine zunehmende Geräuschentwicklung. Aus Rentabilitätsgesichtspunkten sind die Betreiber von Lebensmittel-Supermärkten regelmäßig auf größere Verkaufsflächen angewiesen, die sich naturgemäß auf die unmittelbare Umgebung auswirken.
Daher werden großflächige Einzelhandelsbetriebe nur in Kerngebieten und speziellen Sondergebieten zugelassen. Spannungen entstehen regelmäßig dann, wenn ein solches Vorhaben an ein Wohngebiet angrenzt, was sich wiederum angesichts der geringen Anzahl geeigneter Grundstückflächen nicht immer vermeiden lässt. Gleichzeitig besteht regelmäßig ein Bedürfnis der Nachbarschaft, die Rechtmäßigkeit der mit der Errichtung eines solchen Verbrauchermarktes verbundenen Planungen, gerichtlich überprüfen zu lassen.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich der Nachbarschutz eines Grundstückseigentümers gegen die Errichtung eines Verbrauchermarktes regelmäßig nur auf sog. nachbarschützende Rechte beschränkt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das der Planung zugrundeliegende Erschließungskonzept, das tatsächlich zu erwartende Verkehrsaufkommen nur unzureichend berücksichtigt. Auch der Betrieb eines emittierenden Bauvorhabens führt im Genehmigungsverfahren regelmäßig zu Lärmschutzauflagen, die ebenfalls zu überprüfen wären.

Wird für ein solches Bauvorhaben eine Baugenehmigung erteilt, besteht Handlungsbedarf, da regelmäßig im Anschluss mit der Errichtung des Bauvorhabens begonnen wird.


Die Entscheidung: OVG Saarland, Beschluss vom 26.11.2010, 2 B 275/10:

In einem Rechtsstreit eines Grundstückseigentümers gegen die Errichtung eines geplanten Verbrauchermarktes, hatte das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes in seinem Beschluss vom 26.11.2010 eine Beschwerde eines Nachbarn gegen die erstinstanzliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts mit dem Hinweis zurückgewiesen, dass sich die Erfolgsaussichten mit Blick auf das notwendige Hauptsacheverfahren nicht abschließend positiv beurteilen ließen. Gegenstand dieses Verwaltungsstreitverfahrens war die Planung eines als Sondergebiet ausgewiesenen Vollsortimenter-Marktes mit einer Verkaufsfläche von ca. 1.400,00 m².

In Bezug auf die nachbarliche Bebauung waren die Richtwerte der TA-Lärm für „Allgemeine Wohngebiete“ einzuhalten.
Daher durften Immissionswerte von 55 dB(A) tagsüber und 40 dB(A) nachts nicht überschritten werden. Die Nachbarn wehrten sich gegen die Erteilung der Baugenehmigung insbesondere mit dem Argument, dass die Errichtung des hier geplanten Verbrauchermarktes gegen Festsetzungen des Bebauungsplanes verstoße und der Bauherr entgegen den Auflagen der Baugenehmigung bislang noch kein plausibles Schallschutzgutachten vorgelegt habe. Insbesondere entspräche die Genehmigungslage nicht den Vorgaben des Bebauungsplans, wonach für den Anlieferbereich des Verbrauchermarktes eine Überdachung vorgesehen war.
Das Oberverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss insbesondere festgestellt, dass unklare Formulierungen im Bebauungsplan im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht dazu führen könnten, dass das Gericht sich mit der Verbindlichkeit der bauplanerischen Festsetzungen in der Tiefe auseinandersetzt. Die Prüfung der Einhaltung von Immissionsrichtwerten der TA-Lärm beschränke sich überdies auf eine Plausibilitätsprüfung der schallschutztechnischen Beurteilung.

Solange keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass fachlich unrichtigerweise oder gar zur Beschönigung von Ergebnissen vorgegangen worden wäre, wird die Richtigkeit der gutachterlichen Feststellung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren unterstellt.

Unsere Praxisempfehlung:

Die Behördenpraxis verweist im Baugenehmigungsverfahren oder auch in Bebauungsplanverfahren regelmäßig auf verkehrsplanerische Gutachten oder Lärmgutachten anerkannter Institute, die regelmäßig bei den betroffenen Nachbarn auf Misstrauen stoßen.

Die Gutachten sind von entscheidender Bedeutung, da auf deren Grundlage die Bauverwaltung ihre Entscheidung trifft. Deren Aussagekraft wird von der Gerichtsbarkeit dann in Frage stellt, wenn der Inhalt der dort getroffenen Aussagen erkennbar fehlerhaft ist und die Interessen der unmittelbaren Nachbarschaft nicht angemessen berücksichtigt wurden.

Der Grundstücknachbar selbst hat regelmäßig aufgrund seiner fachlichen Distanz keine Möglichkeit, eine kritische Überprüfung der Gutachten in Angriff zu nehmen.

Der Unternehmer und Vorhabenträger muss sich ebenfalls auf die Aussagekraft der Sachverständigengutachten verlassen dürfen. Der Unternehmer benötigt Investitionssicherheit und besitzt ein großes Interesse, sein Vorhaben innerhalb des von ihm geplanten Zeitfensters umzusetzen.

Daher sind Zweifel an der Belastbarkeit der der Planung zugrundeliegenden Gutachten, schnellstmöglich auszuräumen. Ist erst einmal eine Entscheidung eines Verwaltungsgerichts ergangen, kann es bereits zu spät sein. Der Misserfolg des Projekts und ein wirtschaftlicher Schaden drohen.
Dem Unternehmer ist daher anzuempfehlen, fachkundige Berater rechtzeitig in das Projekt mit einzubeziehen.


Wir stehen Ihnen als eine auf baurechtliche Fragenstellungen spezialisierte Kanzlei mit unserer Kompetenz und Erfahrung jederzeit gern zur Verfügung.


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Dr. Alexander Puplick,      Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Dr. Thorsten Olav Lau,     Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

Martin Bülter, Fachanwalt für Bau und Architektenrecht
, Fachanwalt für Bau und Architektenrecht

 

 

 

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