01 Februar

Entschädigungsanspruch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

 

Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber gemäß
§ 15 AGG verpflichtet, dem Arbeitnehmer den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen.

Nach § 22 AGG gewährt das Gesetz dem potentiellen Benachteiligten eine Beweiserleichterung dahingehend, dass dieser lediglich Indizien dafür beweisen muss, dass eine Benachteiligung zu vermuten ist. Gelingt dies, trägt die andere Partei, d. h. zumeist der Arbeitgeber, die volle Beweislast für das Nichtvorliegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot.

In der Praxis ist es äußerst schwierig, zwischen einer Behinderung und einer Krankheit, welche maßgeblich für die Anwendung des AGG ist, zu unterscheiden. Die Krankheit als solche ist kein verbotenes Diskriminierungsmerkmal, sondern erst, wenn sie den Grad einer Behinderung erreicht.
Maßgebliches Unterscheidungsmerkmal ist dabei die Dauerhaftigkeit, wobei die Übergänge fließend und für den Betrachter kaum zu unterscheiden sind.

Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch eines Bewerbers nach § 15 Abs. 2 AGG ist, dass die Nichteinstellung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt.
Entscheidend für eine Benachteiligung ist das Vorliegen innerer Tatsachen, d. h. die Motivation für die Ablehnung des benachteiligten Bewerbers.
Dabei ist es unerheblich, ob das Merkmal in der Person des Bewerbers tatsächlich vorliegt.

Die Entscheidung:

Nach dem BAG Urteil vom 17.12.2009, 8 AZR 670/08, kann die in einem Bewerbungsgespräch gestellte Frage nach einer gesundheitlichen Beeinträchtigung auf eine Nachfrage, ob eine (und damit für einen Entschädigungsanspruch nach dem AGG vorausgesetzte) Behinderung vorliegt, schließen lassen.

In dem in der vorgenannten Entscheidung zu Grunde liegenden Fall hatte ein beklagter Arzt über die Bundesagentur für Arbeit eine Stelle für einen Biologen oder Tierarzt mit akademischem Titel für wissenschaftlichen Studien und klinische Forschung ausgeschrieben.

Während eines Bewerbungsgesprächs wurde der Kläger durch den Beklagten gefragt, ob er psychiatrisch oder psychotherapeutisch behandelt werde und den Bewerber aufgefordert zu unterschreiben, dass dies nicht der Fall sei.

Außerdem äußerte der Beklagte, dass der steife Gang des Klägers auf Morbus Bechterew schließen lasse.

Der Kläger war mit einer medizinischen Untersuchung nicht einverstanden. Nach der Mitteilung des Beklagten, dass die Bewerbung des Klägers nicht berücksichtigt werden konnte, begehrte der Kläger eine Entschädigungszahlung nach § 15 Abs. 2 AGG.

Das erstinstanzliche Arbeitsgericht hatte der Klage teilweise stattgegeben, während das Landesarbeitsgericht in der Berufung die Klage abgewiesen hatte.

Das Landesarbeitsgerichts war der Ansicht, der Beklagte habe mit seinen Fragen und Äußerungen nur auf das Vorliegen einer Krankheit und nicht einer Behinderung gezielt und hatte einen Anspruch des Arbeitnehmers abgelehnt.

Dieser Argumentation folgte das Bundesarbeitsgericht (BAG) nicht und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurück.

Die Praxisempfehlung:

Nach dieser aktuellen Entscheidung des BAG ist die Schwelle für eine Annahme eines Indizes nach   § 22 AGG in Bezug auf eine Diskriminierung wegen einer Behinderung niedrig angesetzt.

  1. In Bewerbungsgesprächen sollte davon abgesehen werden, nach dem Gesundheitszustand des Bewerbers zu fragen.

  2. Das Vorstellungsgespräch sollte auf Arbeitgeberseite möglichst durch zwei Personen geführt werden.

  3. Für die Gespräche bietet sich ein fester Fragenkatalog an.

  4. Die Fragen müssen sich dabei auf die berufliche Qualifikation beziehen und sollten sich an dem Anforderungsprofil der Arbeitsstelle orientieren.

  5. Auch wenn bestimmte Punkte im Bewerbungsgespräch offensichtlich sind (Bewerberin hochschwanger, Mann in Frauenkleidern) sollten diese Punkte am besten gar nicht angesprochen werden, um bereits den Anschein einer Diskriminierung zu vermeiden.

Unser Team Arbeit und Recht steht Ihnen jederzeit beratend zur Verfügung.  

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Beate Puplick, Fachanwältin für Arbeitsrecht
Cordula Zimmermann, Fachanwältin für Arbeitsrecht

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