05 Februar

Wie "wohlwollend" muss ein Arbeitszeugnis sein? Wie "wahrheitsgemäß" darf es sein?

Das Praxisproblem:

Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer Anspruch auf ein qualifiziertes "wohlwollendes" Zeugnis.

Er hat allerdings keinen Anspruch auf eine bestimmte Formulierung des Zeugnisses, diese obliegt vielmehr dem Arbeitgeber.

Je nach Art und Weise der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird die Bereitschaft des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer eine Spitzenleistung zu bestätigen, gering sein, zumal das Zeugnis auch "wahr" sein muss.

Es kann also zu einem Konflikt zwischen der Pflicht, ein "wohlwollendes" Zeugnis zu erteilen und dem Grundsatz der Zeugniswahrheit kommen. Das qualifizierte Zeugnis hat über die rechtliche Dauer des Arbeitsverhältnisses zu informieren und eine lückenlose Beschreibung der vom Arbeitnehmer tatsächlich verrichteten Tätigkeiten zu enthalten.

Das Zeugnis darf einerseits nichts Falsches enthalten, andererseits aber auch nichts auslassen, was der Leser eines Zeugnisses erwarten darf.

Der Leser eines Zeugnisses erwartet regelmäßig auch eine Schlussformel, d.h. die so genannte „Dankens/Bedauerns“-Klausel, beispielsweise: „wir bedauern sein Ausscheiden, danken für die geleisteten Dienste und wünschen ihm für seinen weiteren Lebensweg alles Gute und weiterhin viel Erfolg“.

Der Schlussformel kommt mittlerweile große praktische Bedeutung zu. Fehlt die Klausel ganz oder teilweise, wird ein potentieller neuer Arbeitgeber hieraus seine Folgerungen ziehen. Gleichwohl hat das Bundesarbeitsgericht seine bisherige Rechtsprechung mit einer aktuellen Entscheidung von Dezember 2012 bestätigt, wonach der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf die Schlussformel "Dank und gute Wünsche" hat.


Die Entscheidung:

In dem der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu Grunde liegenden Fall erteilte der Arbeitgeber dem Kläger ein Arbeitszeugnis mit einer überdurchschnittlichen Leistungs- und Verhaltensbeurteilung. Die Schlussformel lautete: "Herr K scheidet zum 28.02.2009 aus betriebsbedingten Gründen aus unserem Unternehmen aus. Wir wünschen ihm für die Zukunft alles Gute".

Nach Ansicht des Klägers entwertete der Schlusssatz das ihm erteilte gute Zeugnis und begehrte die Formulierung "wir bedanken uns für die langjährige Zusammenarbeit und wünschen ihm für seine private und berufliche Zukunft alles Gute".

Das erstinstanzliche Arbeitsgericht gab der Klage statt, das Landesarbeitsgericht wies die Klage in zweiter Instanz ab.

Das Bundesarbeitsgericht bestätigte in seinem Urteil vom 11.12.2012 erneut, dass Schlussformulierungen in Zeugnissen, mit denen Arbeitgeber in der Praxis persönliche Empfindungen wie Dank oder gute Wünsche zum Ausdruck bringen, nicht "beurteilungsneutral", sondern geeignet sind, die objektiven Zeugnisaussagen zur Führung und Leistung des Arbeitnehmers zu bestätigen oder zu relativieren.

Ein Anspruch auf eine bestimmte Formulierung bestünde jedoch nicht. Wenn der Arbeitnehmer mit der Formulierung des Schlusssatzes nicht einverstanden sei, sei der Arbeitgeber lediglich verpflichtet, ein Zeugnis ohne jegliche Schlussformel zu erteilen.

Auch wenn die Schlussformulierung insbesondere in Zeugnissen mit überdurchschnittlicher Leistung und Verhaltensbeurteilung üblich sei, habe der Arbeitnehmer mangels gesetzlicher Grundlage keinen Anspruch auf die Schlussformel. Die Schlussformel sei kein rechtlich notwendiger Bestandteil eines Zeugnisses.

Die Praxisempfehlung:

  1. Vermeiden Sie Spitzfindigkeiten und sogenannte "Geheimcodes". Beispielsweise sollen die Benutzung von bestimmtem Papier, welches nicht dem üblichen Firmenpapier entspricht, anderweitige Stempel oder optische Hervorhebungen von Textstellen, z.B. Unterstreichungen vermieden werden. Auch ohne die Verwendung von verschlüsselten Zeugnissprachen kann aus dem Fehlen der Dankens- und Bedauernsklausel geschlossen werden, dass sich die Arbeitsvertragsparteien im Streit getrennt haben.
     
  2. Achten Sie darauf, dass das Zeugnis
  • der ordnungsgemäßen Form entspricht, also
    • also mit eigenhändiger Unterschrift des Ausstellers versehen ist. Wird das Zeugnis von einem Vertreter unterzeichnet, ist im Zeugnis deutlich zu machen, dass dieser Vertreter dem zu beurteilenden Arbeitnehmer gegenüber weisungsbefugt oder Rang höher war,
    • nicht mit einer völlig überdimensionierten Unterschrift versehen ist, diese entwertet nach der Rechtsprechung den Zeugnisinhalt und ist damit nicht ordnungsgemäß,
    • das übliche Firmenpapier verwendet wird - es besteht kein Anspruch auf ein ungefaltetes oder ein farbig gedrucktes Zeugnis,
    • der Aussteller des Zeugnisses erkennbar ist,
    • das Datum der Ausstellung und das Datum der Beendigung des Arbeitsverhältnisses enthält,
    • die Überschrift „Zeugnis“ ist nicht zwingend erforderlich, jedoch üblich
       
  • sich dem Inhalt nach zusammensetzt aus
    • der Tätigkeitsbeschreibung
    • der Leistungsbeurteilung sowie
    • dem Verhalten im Arbeitsverhältnis 
       

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Beate Puplick, Fachanwältin für Arbeitsrecht
Cordula Zimmermann, Fachanwältin für Arbeitsrecht

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