13 Juni

Kann ein Arbeitnehmer auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichten?

Bei der Abfassung einer Verzichtserklärung auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage sind bestimmte Formvorschriften und inhaltliche Anforderungen zu berücksichtigen.

BAG vom 25.09.2014, Az: 2 AZR 788/13

Das Praxisproblem

Ein Arbeitnehmer möchte das Arbeitsverhältnis beenden. Bei einer Eigenkündigung verhängt die Bundesagentur für Arbeit ihm gegenüber jedoch eine Sperrfrist. Er bittet daher den Arbeitgeber eine ordentliche und fristgemäße Kündigung auszusprechen. Der Arbeitgeber lehnt dies mit dem Hinweis darauf ab, dass der Arbeitnehmer bei einer arbeitgeberseitigen Kündigung eine Kündigungsschutzklage erheben kann. Der Arbeitgeber möchte jedoch einen Kündigungsschutzprozess nicht riskieren. Der Arbeitnehmer erklärt darauf hin, er verzichte auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage. Ein entsprechender Verzicht wird vereinbart und der Arbeitgeber spricht im Interesse des Arbeitnehmers eine ordentliche fristgemäße Kündigung aus. Der Arbeitnehmer erhebt dann jedoch gleichwohl eine Kündigungsschutzklage und behauptet, seine Verzichtserklärung sei unwirksam. Hat die Kündigungsschutzklage Aussicht auf Erfolg?

Die Entscheidung

In dem vom BAG entschiedenen Fall war einem seit längerem arbeitsunfähigen Mitarbeiter schriftlich ordentlich personenbedingt gekündigt worden. Bei Übergabe der Kündigung war dem Arbeitnehmer eine Ausgleichsquittung mit der Überschrift "Arbeitspapiere" vorgelegt worden. Diese besagte, dass der Arbeitnehmer bestimmte Papiere erhalten habe. Am Ende war - drucktechnisch nicht hervorgehoben - ausgeführt, dass der Arbeitnehmer auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichte, bzw. eine erhobene Kündigungsschutzklage unverzüglich zurücknehme.

Der Kläger hat gegen die ihm gegenüber ausgesprochene Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben. Er erklärte, er habe die Ausgleichsquittung zu keinem Zeitpunkt unterzeichnet.

Das BAG hat sich zunächst mit der Frage befasst, ob die im konkreten Fall verwendete Ausgleichsquittung eine allgemeine Geschäftsbedingung darstellt, da sie als Erklärung über die Arbeitspapiere ersichtlich für eine mehrfache Verwendung vorformuliert war. Diese Frage wurde vom BAG bejaht. Damit erfolgte die Prüfung des BAG unter dem Gesichtspunkt der Prüfung einer allgemeinen Geschäftsbedingung. Das Gericht hat den Klageverzicht als überraschende Klausel gewertet. Der Kläger brauchte nach dem äußeren Erscheinungsbild und der Überschrift „Arbeitspapiere“ nicht damit rechnen, dass er durch Unterzeichnung des Schriftstückes auf sein Recht zur Klageerhebung verzichte.

Das BAG hält den Klageverzicht darüber hinaus auch für unangemssen und deswegen für unwirksam. Das BAG führt in seinem Urteil aus, dass der formularmäßige Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage ohne Gegenleistung eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers darstellt. Das BAG bezeichnet eine solche Verzichtsklausel ohne Gegenleistung als treuwidrig. Denn der Verwender versucht durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen, ohne dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren.

 

Weil der Arbeitnehmer keine Gegenleistung aufgrund des Verzichts auf sein Klagerecht erhalten hat, war damit die Verzichtsklausel unwirksam. 

Zu der Frage, ob eine Unterzeichnung dieser Verzichtserklärung erforderlich sei, erklärte das BAG, dass ein solcher Klageverzicht nicht schriftlich erfolgen müsse. Er müsse nur dann schriftlich erfolgen, wenn der Klageverzicht im unmittelbaren und zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Kündigung steht. Dies sei dann gegeben, wenn Kündigung und Klageverzicht sein gemeinsam nur ein anderes Mittel, um das Arbeitsverhältnis in Wirklichkeit im gegenseitigen Einvernehmen, also quasi im Rahmen eines Aufhebungsvertrages zu beenden.

In dem vorliegenden Streitfall konnte das BAG keine Umstände feststellen, die dazu führten, dass die Kündigung und der Klageverzicht zwingend ein einheitliches Rechtsgeschäft zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses darstellten. Vielmehr erfolgte zunächst die Kündigung und im Anschluss, quasi zur Abwicklung der Kündigung, die Übergabe der mit der Überschrift „Arbeitspapiere“ beschriebenen Erklärung.

Die Praxisempfehlung

  1. Nach der Rechtsprechung des BAG kann ein Arbeitnehmer grundsätzlich darauf verzichten, eine Kündigungsschutzklage zu erheben. Für die Wirksamkeit eines solchen Klageverzichtes muss dem Arbeitnehmer jedoch eine Gegenleistung gewährt werden. Zu denken wäre ggf. an die Erteilung eines guten Zeugnisses. Der Arbeitnehmer hat nämlich grundsätzlich nur Anspruch auf ein wohlwollend, qualifiziertes Zeugnis, welches der Note „befriedigend“ entspricht. Es ist in jedem Einzelfall abzuwägen, welche Gegenleistung dem Arbeitnehmer wegen von ihm erklärten Klageverzichtes gewährt wird.
     
  2. Eine Verzichtserklärung nicht zwingend schriftlich erfolgen. Die Schriftlichkeit ist jedoch dringend zu empfehlen, da anderenfalls das Problem besteht, den vom Arbeitnehmer tatsächlich erklärten Verzicht zu belegen, also zu beweisen.


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Beate Puplick, Fachanwältin für Arbeitsrecht
Cordula Zimmermann, Fachanwältin für Arbeitsrecht

 

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