Muss der Eigentümer eines Mehrfamilienhauses für Strom zahlen, der in einer der Wohnungen von einem Mieter verbraucht wurde?
17 Juni

Muss der Eigentümer eines Mehrfamilienhauses für Strom zahlen, der in einer der Wohnungen von einem Mieter verbraucht wurde?

BGH, Urteil vom 27.11.2019, Az. VIII ZR 165/18

Das Praxisproblem

In dem Leistungsangebot eines Versorgungsunternehmens ist grundsätzlich ein Vertragsangebot zum Abschluss eines Versorgungsvertrages in Form einer sogenannten Realofferte zu sehen. Richtet sich dieses Angebot an den Hauseigentümer, der über den Netzanschluss verfügt, oder an denjenigen, der aus dem Leitungsnetz Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme entnimmt?

Die Entscheidung

Die Klägerin nahm in ihrem Gemeindegebiet die Grundversorgung mit Strom wahr. Sie verlangte von dem Beklagten als Eigentümer eines dort gelegenen Mehrparteienhauses eine Vergütung für Stromlieferungen.

Der Stromverbrauch wurde über Zähler erfasst, die jeweils einer bestimmten Wohnung in dem Anwesen zugeordnet waren. Die Stromlieferung der Klägerin betraf eine durch den Beklagten vermietete und im streitgegenständlichen Zeitraum zuletzt von zwei Mietern genutzte Wohnung.

Der Beklagte vertrat die Auffassung, nicht Vertragspartner der Klägerin geworden zu sein.

Der BGH bestätigte dies letztinstanzlich mit Urteil vom 27.11.2019, Az. VIII ZR 165/18.

Das Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Versorgungsvertrages richtete sich bei der gebotenen Auslegung aus Sicht eines verständigen Dritten nicht an den Beklagten als Eigentümer des Mehrfamilienhauses. Adressat des Angebots des Versorgungsunternehmens ist vielmehr der Mieter, wenn die Wohnung über einen eigenen Stromzähler verfügt.

In dem Leistungsangebot eines Versorgungsunternehmens ist grundsätzlich ein Vertragsangebot zum Abschluss eines Versorgungsvertrages in Form einer Realofferte zu sehen. Diese wird von demjenigen angenommen, der aus dem Leitungsnetz Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme entnimmt.

Dieser Rechtsgrundsatz trägt der Tatsache Rechnung, dass in der öffentlichen leitungsgebundenen Versorgung die angebotenen Leistungen vielfach ohne ausdrücklichen schriftlichen oder mündlichen Vertragsschluss in Anspruch genommen werden. Er zielt darauf ab, einen ersichtlich nicht gewollten vertragslosen Zustand bei den zugrunde liegenden Versorgungsleistungen zu vermeiden.

Aus der maßgebenden Sicht eines objektiven Empfängers stellt sich typischerweise die Vorhaltung der Energie und die Möglichkeit der Energieentnahme an den ordnungsgemäßen Entnahmevorrichtungen als Leistungsangebot und damit als Vertragsangebot dar. Die Inanspruchnahme der angebotenen Leistung beinhaltet - auch bei entgegenstehenden ausdrücklichen Äußerungen - die schlüssig erklärte Annahme dieses Angebots.

Vorliegend sind also die Mieter der Wohnung und ist nicht der Vermieter und Eigentümer der Wohnung Vertragspartner des Versorgungsunternehmens geworden.

 

Die Praxisempfehlung

Empfänger des Vertragsangebots ist, wer die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt hat und dort Strom entnimmt. Auf die Eigentumsverhältnisse kommt es dabei nicht entscheidend an. Jedenfalls dann nicht, wenn der Stromverbrauch über Zähler erfasst wird, die jeweils einer bestimmten Wohnung zugeordnet sind.

Achten Sie als Vermieter gleichwohl darauf, dass die Mieter eigene Versorgungsverträge (Strom, Wasser und Gas) für die Mietsache abschließen.

 

 

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