Hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Kündigung der Direktversicherung zur Durchführung der betrieblichen Altersversorgung im Wege der Entgeltumwandlung gegen den Arbeitgeber?
19 Juli

Hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Kündigung der Direktversicherung zur Durchführung der betrieblichen Altersversorgung im Wege der Entgeltumwandlung gegen den Arbeitgeber?

BAG, Urteil vom 26.04.2018, Az. 3 AZR 586/16

Das Praxisproblem

Ein Arbeitnehmer kann gemäß § 1a BetrAVG (Betriebsrentengesetz) von seinem Arbeitgeber verlangen, dass von seinen künftigen Entgeltansprüchen bis zu 4 % der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze

in der allgemeinen Rentenversicherung durch Entgeltumwandlung für seine betriebliche Altersversorgung verwendet werden.

Die betriebliche Altersversorgung dient der notwendigen Ergänzung der durch die Sozialversicherung gewährten Sicherung der Arbeitnehmer im Alter.

Der Arbeitnehmer verzichtet auf einen Anteil einer direkten Lohnauszahlung zu Gunsten der Beitragsleistung des Arbeitgebers gegenüber der Direktversicherung.

Benötigt der Arbeitnehmer jedoch schnell liquide Mittel, so hat er regelmäßig keinen Anspruch auf Kündigung der Direktversicherung durch den Arbeitgeber, damit der Arbeitnehmer den Rückkaufswert der Direktversicherung erhält.

 

Die Entscheidung

 

In dem vom BAG entschiedenen Fall klagte der Arbeitnehmer auf Kündigung der Direktversicherung zur Durchführung der betrieblichen Altersversorgung im Wege der Entgeltumwandlung gegen den Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer benötigte das für die Direktversicherung angesparte Kapital für den Ausgleich von Schulden.

Nach Auffassung des BAG ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, die zu Gunsten des Arbeitnehmers bestehende Direktversicherung im laufenden Arbeitsverhältnis zu kündigen. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus der zwischen den Parteien vereinbarten Entgeltumwandlung noch aus der gesetzlichen Regelung gemäß § 241 Abs. 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch).

Grundsätzlich ist der Arbeitgeber zwar gemäß § 241 Abs. 2 BGB zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Arbeitnehmers verpflichtet. Diese Pflicht beinhaltet grundsätzlich auch die Verpflichtung des Arbeitgebers, bei der Wahrung oder Entstehung von Ansprüchen seiner Arbeitnehmer mitzuwirken, die diese gegenüber Dritten erwerben können.

Hierfür ist ein schützenswertes Interesse des Arbeitnehmers an der Auflösung des Versicherungsvertrages erforderlich. Nach Auffassung des BAG hat der Arbeitnehmer kein schützenswertes Interesse dargelegt, das geeignet wäre, die mit der Entgeltumwandlungsvereinbarung bezweckte Absicherung im Alter zu beseitigen. Es sei mit der Zwecksetzung der betrieblichen Altersversorgung nicht vereinbar, die Direktversicherung zu kündigen, um dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sein für den Versorgungsfall bereits angespartes Kapital für den Ausgleich von Verbindlichkeiten zu verwenden.

Das BAG ließ jedoch offen, ob es im Fall einer akuten Notlage, beispielsweise eine Zwangsversteigerung des Wohneigentums des Arbeitnehmers, anders entscheiden wird.

Das BAG argumentierte, auch der Arbeitgeber habe ein Interesse an der Aufrechterhaltung der betrieblichen Altersvorsorge. Dem Arbeitgeber drohen durch die Kündigung der Direktversicherung ein hoher Verwaltungsaufwand sowie ein Haftungsrisiko aufgrund sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Probleme.

 

Praxisempfehlung

 

Hat der Arbeitgeber eine Direktversicherung zur Durchführung der betrieblichen Altersversorgung im Wege der Entgeltumwandlung abgeschlossen, begründet der bloße Geldbedarf eines Arbeitnehmers für sich genommen keinen Anspruch gegen den Arbeitgeber, den Versicherungsvertrag gegenüber der Versicherungsgesellschaft zu kündigen, damit der Arbeitnehmer den Rückkaufswert erhält.

Die Umwandlung von künftigen Entgeltansprüchen für die betriebliche Altersversorgung eines Arbeitnehmers bedarf sowohl auf Arbeitgeber- als auch auf Arbeitnehmerseite einer gut durchdachten Regelung.

 

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Beate Puplick

Fachanwältin für Arbeitsrecht,

Fachanwältin für Familienrecht,

Wirtschaftsmediatorin

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