Mietrecht: Wer zählt als „Familienangehöriger“ bei Eigenbedarfskündigungen bei Begründung von Wohnungseigentum? Adobestock von MQ-Illustrations
17 September

Mietrecht: Wer zählt als „Familienangehöriger“ bei Eigenbedarfskündigungen bei Begründung von Wohnungseigentum?

BGH, Urteil vom 10.07.2024, Az. VIII ZR 276/23

Das Praxisproblem

Bei Begründung von Wohnungseigentum sieht der § 577a BGB für Mieter einen Schutz vor Eigenbedarfskündigungen vor. Eigenbedarfskündigungen sind im Zuge des Erwerbs des Wohnungseigentums für einen begrenzten Zeitraum grundsätzlich nicht möglich.

Eine Ausnahme besteht nach § 577a Abs. 1a S. 2 BGB dann, wenn Erwerber oder für den Fall, dass eine Personengesellschaft erworben hat, deren Gesellschafter „derselben Familie oder demselben Haushalt angehören“.

Wer zählt als „Familienangehöriger“ im Sinne dieser Vorschrift?

 

Die Entscheidung

Dem BGH lag ein Sachverhalt zur Entscheidung vor, in dem bei der Begründung von Wohnungseigentum die Wohnung durch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts erworben worden ist, die zwei Gesellschafter hatte, die Cousins waren.

Die Gesellschaft kündigte den Mietvertrag und machte Eigenbedarf zugunsten eines beiden Gesellschaftern geltend. Die Mieter widersprachen der Kündigung und machten geltend, das Cousins nicht zu dem privilegierten Personenkreis des § 577a Abs. 1a S. 2 BGB gehören.

Die Gesellschaft als Eigentümerin erhob daraufhin Räumungsklage. Das Amtsgericht Mitte hat die Klage abgewiesen, das LG Berlin als Berufungsgericht hat der Räumungsklage stattgegeben. Das Berufungsgericht argumentierte, dass die beiden Gesellschafter der Klägerin unter den Begriff „Familie“ im Sinne von § 577a Abs. 1a S. 2 BGB fallen, weil zwischen ihnen eine enge soziale Bindung bestehen würde; daher sei eine Eigenbedarfskündigung möglich.

Dieser Rechtsauffassung ist der BGH entgegengetreten und hat die Klage abgewiesen. Unter den Begriff „Familie“ in § 577a Abs. 1a BGB seien, wie bei der Eigenbedarfskündigung des Vermieters gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB, ausschließlich diejenigen Personen zu fassen, denen ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen gemäß § 383 ZPO, § 52 StPO zusteht. Hieran ändere sich auch dann nichts, wenn zwischen den Mitgesellschaftern tatsächlich eine enge persönliche Bindung besteht.

Der vom Gesetzgeber bezweckten Privilegierung von Familienangehörigen läge eine typisierende Betrachtungsweise vor, bei der das persönliche Näheverhältnis auch nicht gesondert nachgewiesen werden müsse. Diese typisierende Betrachtungsweise sei von dem Gesetzgeber bei der Gewährung des Zeugnisverweigerungsrechtes aus persönlichen Gründen ebenfalls vorgenommen worden. Bei diesen Normen seien objektive Kriterien dazu aufgestellt worden, welche Verwandtschaftsgrade typischerweise in einem persönlichen Näheverhältnis zueinanderstehen – Cousins, also Verwandte in der Seitenlinie im vierten Grad zählen hierzu nicht.

 

Die Praxisempfehlung

Die Vornahme oder die Abwehr einer Eigenbedarfskündigung sollte, schon aufgrund der damit einhergehenden gravierenden Folgen, immer anwaltlich begleitet werden. Schon bei Erwerb sollte geprüft werden, ob eine Eigenbedarfskündigung möglich ist. Mitunter kommt es auf Nuancen an, wie die vorstehende Entscheidung des BGH zeigt. Durch geschickte Gestaltung des Erwerberkreises im Vorfeld der Begründung von Wohnungseigentum wäre die Klageabweisung vermeidbar gewesen.

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