Die Belehrung über das Widerrufsrecht des Verbrauches: Erfüllt Ihre Widerrufsbelehrung die gesetzlichen Voraussetzungen? Adobestock von nmann77
16 August

Die Belehrung über das Widerrufsrecht des Verbrauches: Erfüllt Ihre Widerrufsbelehrung die gesetzlichen Voraussetzungen?

BGH, Urteil vom 01.12.2022, Az. I ZR 28/22
Wie allgemein bekannt ist, steht dem Verbraucher, der mit einem Unternehmer einen Fernabsatzvertrag geschlossen hat, ein Widerrufsrecht zu.

Doch was die konkreten Voraussetzungen sind, ist den Unternehmern nicht immer im vollen Umfang bewusst. Gleiches gilt für die einschneidenden wirtschaftlichen Konsequenzen, welche mit der Nichtbeachtung der gesetzlichen Vorgaben durch den Unternehmer einhergehen können.


Wann liegt ein Fernabsatzvertrag vor?

Bei Fernabsatzverträgen handelt es sich um solche, bei denen der Unternehmer (oder eine von dem Unternehmer beauftragte Person) die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln durchführt. Unter Fernkommunikationsmittel ist die Verwendung von E-Mails, Telefonaten oder die einfache Briefpost gemeint.
Der Vertragsschluss muss zudem im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Leistungssystems erfolgt sein. Der Unternehmer muss sein Geschäftsmodell also gerade auf die Verwendung der benannten Fernkommunikationsmittel ausgelegt haben.
Klassisches Beispiel für das vorstehend benannten Voraussetzungen sind Onlineshops, in welchen Waren bestellt werden. Aber auch bei anderen Verträgen, wie beispielsweise Maklerverträgen oder Dienstverträgen, ist das Widerrufsrecht der Verbraucher anwendbar.


Beginn der Widerrufsfrist nur bei rechtmäßiger Belehrung!
Die Frist für den Widerruf beträgt 14 Tage. Sie beginnt grundsätzlich mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.
Bei Fernabsatzverträgen beginnt die Widerrufsfrist nicht, bevor Unternehmer dem Verbraucher entsprechend den gesetzlichen Anforderungen unterrichtet hat. Spätestens erlischt das Widerrufsrecht zwölf Monate und 14 Tage nach erfolgtem Vertragsschluss.
Die Informationspflichten des Unternehmers über das Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen sind in Art. 246a § 1 II 1 Nr. 1 EGBGB ausdrücklich geregelt.
Nach dieser Vorschrift hat der Unternehmer zwei Möglichkeiten, um seinen Informationspflichten nachzukommen:


Verwendung der Muster-Widerrufsbelehrung als „sicheren Weg“
Der Unternehmer hat zum einen die Möglichkeit, das gemäß Art. 246a § 1 II 2 EGBGB als Anlage zu dieser Bestimmung vorgesehenen Muster für die Widerrufsbelehrung zutreffend ausgefüllt und in Textform an den Verbraucher zu übermitteln.
Hierbei handelt es sich um den „sicheren Weg“, da dem Unternehmer in diesem Fall die sogenannte „Gesetzlichkeitsfiktion“ (auch: „Musterschutz“) dieser Bestimmung zugutekommt.
Im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung müsste nicht weiter geprüft werden, ob der Unternehmer seine Informationspflichten den gesetzlichen Anforderungen entsprechend erfüllt hat.


Vorsicht beim Abweichen von der Muster-Widerrufsbelehrung!
Der Unternehmer hat aber auch die Möglichkeit, seine Informationspflichten durch eine Belehrung zu erfüllen, die von der Musterbelehrung abweicht.
Hier bestehen aber erhebliche Gefahren.
Die Belehrung muss den gesetzlich geregelten Anforderungen genügen. Das Risiko dafür, dass dies der Fall ist, trägt einzig der Unternehmer.
Bei jeder noch so kleinen Abweichung von der Muster-Widerrufsbelehrung besteht die Gefahr, dass der Unternehmer seiner Informationspflicht „nicht ordnungsgemäß“ nachgekommen ist.
Dies hätte zur Folge, dass die Widerrufsbelehrung als nicht erteilt gilt und – entsprechend des einleitend ausgeführten - die Widerrufsfrist nicht zu laufen beginnt.
Der Verbraucher hätte damit die Möglichkeit innerhalb der Höchstfrist von zwölf Monaten und 14 Tage nach Vertragsschluss diesen zu widerrufen und den gesamten an den Unternehmer gezahlten Betrag zurückzufordern.


Bedeutung des Widerrufrechts für den Maklervertrag
Das Gesetz unterscheidet dem Grunde nach nicht, ob es sich bei dem Fernabsatzvertrag etwa um Kauf-, Werk- oder Werkverträge handelt.
Auch für Maklerverträge gelten die vorstehenden Ausführungen, wie das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 01.12.2022 (Az.: I ZR 28/22) eindrucksvoll darlegt:
Bei dem der Entscheidung zugrunde gelegten Fall wurde ein Maklervertrag durch die ausschließliche Verwendung von Fernkommunikationsmittel geschlossen. Beim Vertragsschluss übersandte der Unternehmer ein Widerrufsformular und ging davon aus, seiner Informationspflicht nachgekommen zu sein. Der Verbraucher hat den Vertrag im Anschluss widerrufen, als die 14-tägige Frist nach Vertragsschluss und nach erfolgter Widerrufsbelehrung bereits lange abgelaufen war.
Der Bundesgerichtshof hat dem Verbraucher recht gegeben und das Maklerbüro verpflichtet, verpflichtet, die gesamte Maklercourtage in Höhe von rund 18.000,00 € zurück zu zahlen.
Der Grund hierfür war eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung.


„Gesetzesfiktion“ entfällt schon bei leichten Abweichungen vom Muster-Widerrufsformular
Der Makler hatte seine Belehrung auf Grundlage der gesetzlichen Muster-Widerrufsbelehrung erstellt.
Dabei hat er - unter anderem - die nachfolgenden Änderungen vorgenommen:
 - Am Ende des zweiten Satzes hieß es „Vertragsschlusses“, anstelle des in dem Muster vorgegebenen „Vertragsabschlusses“.
 - Zudem wurden abweichend von der Musterbelehrung zwei Adressen angegeben, an welche der Widerruf zu richten sei. Dies wurde abweichend von dem Musterbelehrung mit der Überschrift „Den Widerruf richten Sie bitte an:“ eingeleitet. Bei der einen Adresse handelte es sich um die des Maklerbüros. Die andere Adresse war die der Bank, welche in Vertretung für das Maklerbüro das Grundstück vermittelt hatte.

Die vorstehenden Abweichungen genügten, damit dem Maklerbüro der Schutz der „Gesetzesfiktion“ nicht zugutekam.
Der Zweck dieses Schutzes ist, so der BGH,
„dem Unternehmer die Erfüllung der Informationspflichten durch die Verwendung gesetzlich vorgesehener Muster zu erleichtern.“

Aufgrund der „Vielseitigkeit möglicher individueller Veränderung des Musters“ würde der Zweck konterkariert, wenn durch den Unternehmer vorgenommene Abweichungen zugelassen werden würden, führt der BGH weiter aus.
Schließlich stünde es dem Unternehmer auch frei, nicht von dem Musterformular Gebrauch zu machen und eine eigene Formulierung zu wählen.


Entscheidung im Lichte des Verbraucherschutzes
Im Zentrum der rechtlichen Bewertungen des Widerrufsrechtes steht der Schutz des Verbrauchers.
Dieser Schutz erfordere eine möglichst umfassende, unmissverständliche und aus dem Verständnis der Verbraucher eindeutige Belehrung.
Der Verbraucher soll durch die Belehrung nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses wirksam auszuüben. Hierbei soll, so der BGH weiter,
„der regelmäßig rechtsunkundigen Verbraucher (…) unter anderem über den Beginn der Widerrufsfrist eindeutig informiert werden“.

Aus diesem Grunde sei eine Belehrung unzulässig, deren Inhalt oder Gestaltung die Gefahr begründe, dass der Verbraucher irregeführt und von einem rechtzeitigen Widerruf abgehalten werde.
Dies vorangeschickt hat der Bundesgerichtshof sich mit den Abweichungen von den bis Muster Widerrufsbelehrung auseinandergesetzt.


Wann wird der Verbraucher „irregeführt“?
Der Bundesgerichtshof kam bei der Bewertung der Formulierung „Vertragsschlusses“ zu dem Ergebnis, dass diese den Anforderungen an die Hinweispflicht entspricht und nicht zu einer „Irreführung“ des Verbrauchers führte.
Etwas anderes ergebe sich bei der Angabe von zwei – mit dem Wort „oder“ getrennten - Adressaten der Widerrufserklärung. Der Verbraucher könne dadurch zu dem irregeführten Schluss geführt werden, er habe den Vertrag ebenfalls mit der Bank geschlossen. Für den Verbraucher sei nicht zu erkennen gewesen, an wen die Widerrufserklärung zu richten gewesen sei – an das Maklerunternehmen und/oder an die Bank?

Fazit: Abweichungen von dem Muster-Widerrufsformular müssen sorgfältig geprüft werden!
Die Entscheidung des BGH macht wieder einmal deutlich, wie streng die Handhabung der Gerichte mit den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung sind. Bereits kleine, für den Verwender möglicherweise marginale Abweichungen genügen, damit die Widerrufsbelehrung nicht die mit ihr bezweckten Rechtsfolgen einleitet.
Die Konsequenz ist, wie das Urteil des BGH eindrucksvoll darlegt, ein hohes finanzielles Risiko des Unternehmers – auch wenn die eigentliche Tätigkeit bereits erbracht worden ist.
Die Schutzwirkung der Muster-Widerrufsbelehrung kommt dem Unternehmer nur zugute, wenn dieser nicht von ihr abweicht.
Anders formuliert: Jede noch so kleine Abweichung stellt ein erhebliches Risiko für den Unternehmer dar.

Wir prüfen für Sie, ob die von Ihnen möglicherweise bereits im Rechtsverkehr verwendete Widerrufsbelehrung den strengen gesetzlichen Vorgaben entspricht. Sprechen Sie uns gerne an!

 

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