01 Oktober

Elternunterhalt

Das Praxisproblem

Unterhalt schulden nicht nur Eltern ihren Kindern, sondern gemäß § 1601 Nr. 1 BGB sind Verwandte in gerader Linie verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren.

Nach § 1603 BGB besteht keine Unterhaltsverpflichtung, wenn der eigene angemessene Unterhalt unter Berücksichtigung der eigenen Verpflichtungen nicht sichergestellt ist. Damit ist jeder für seine Eltern und seine Kinder unterhaltspflichtig, jedenfalls dann, wenn die Angehörigen bedürftig und der Unterhaltspflichtige leistungsfähig ist.

Aufgrund von explodierenden Pflegekosten und leeren Haushaltskassen fordern Sozialhilfeträger immer häufiger von erwachsenen Kindern Unterhaltszahlungen, da die Kinder für den Unterhalt vorrangig aufzukommen haben und erst nachrangig der Sozialhilfeträger. Auch hier gilt der Grundsatz der Subsidiarität staatlicher Leistungen. Der angemessene Selbstbehalt eines pflichtigen Kindes gegenüber den Eltern beträgt nach den  Leitlinien des Oberlandesgerichts Hamm zum Unterhaltsrecht derzeit 1.600,00 €. Darüberhinaus ist die "Leistungsfähigkeit" entscheidend. Wie wird diese "Leistungsfähigkeit" bemessen?

Die Entscheidung

In einem einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 07.08.2013, Az. XII ZB 269/12  zu Grunde liegenden Fall befand sich eine 87-jährige Mutter des Antragsgegners in einem Altenpflegeheim.

Da die Heimkosten nicht vollständig aus der eigenen Rente und den Leistungen der Pflegeversicherung gedeckt werden können, gewährte der Antragsteller (Sozialhilfeträger) Leistungen der Sozialhilfe. Aus übergegangenem Recht erhob der Sozialhilfeträger gegen den Sohn der Rentnerin Erstattungsansprüche.

Maßgebliche Frage des Verfahrens war, ob der Sohn der Rentnerin, der Antragsgegner, aus seinem eigenen Einkommen oder aus seinem Vermögen leistungsfähig ist.

Der als Elektriker tätige Antragsgegner erzielte ein Jahresbruttoeinkommen i.H.v. ca. 27.500,00 €. Weiterhin ist er Eigentümer einer aus drei Zimmern bestehenden Eigentumswohnung und hälftiger Miteigentümer eines Hauses in Italien. Weiterhin verfügt er über zwei Lebensversicherungen mit Werten von 27.000,00 € und 5.500,00 € sowie ein Sparguthaben i.H.v. 6.400,00 €. Eine weitere Lebensversicherung hatte der Antragsgegner gekündigt und mit dem Erlös Verbindlichkeiten die auf dem Haus in Italien lasteten getilgt.

Das erstinstanzliche Amtsgericht hatte den Antragsgegner verpflichtet, an den Antragsteller rückständigen Unterhalt in Höhe von insgesamt fast 5.500,00 € zu zahlen. Das zweitinstanzliche Oberlandesgericht hat die Klage vollständig abgewiesen.

Der Bundesgerichtshof hat den durch den Antragsteller angefochtenen Beschluss aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Abgesehen von dem nach Ansicht des Bundesgerichtshofs bereits nicht richtig ermittelten Nettoeinkommens, war die Frage des Einsatzes des Vermögens des unterhaltsverpflichteten Kindes von besonderer Bedeutung.

Zu der Leistungsfähigkeit führt der BGH aus, dass

  • der Wohnwert bei der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt sich nicht aus der bei einer Fremdvermietung erzielbaren objektiven Marktmiete errechnet, sondern auf der Grundlage der unter den gegebenen Verhältnissen ersparten Miete
  • angemessene Aufwendungen, die dem Unterhaltspflichtigen für Besuche im Heim entstehen grundsätzlich die Leistungsfähigkeit mindern, weil diese Besuche auf einer unterhaltsrechtlich anzuerkennenden sittlichen Verpflichtung beruhen
  • grundsätzlich der Stamm des Vermögens zur Bestreitung des Unterhalts einzusetzen ist
  • als eigener Unterhalt auch Leistungen für eine angemessene Altersvorsorge (ca. 20 % des Bruttoeinkommens) gelten
  • in einer Höhe von 5 % des Jahresbruttoeinkommens auch sonstiges Vermögen vor dem Bezug der Altersversorgung nicht zur Zahlung von Elternunterhalt eingesetzt werden muss
  • dem Unterhaltsberechtigten ist eine gewisse Vermögensreserve als sogenannter "Notgroschen" für Fälle plötzlich auftretenden Sonderbedarfs zu belassen, dabei stellt sozialhilferechtliche Schonbetrag die untere Grenze dar
  • soweit es sich um den jeweiligen Verhältnissen angemessene Wohneigentum handelt,  keine Verwertungspflicht bestehe
  • die genaue Höhe sich nicht pauschal festlegen lasse, sondern vielmehr von den Umständen des Einzelfalls abhänge

In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Fall hielt der BGH für den alleinstehenden kinderlosen Antragsgegner einen Betrag i.H.v. 10.000,00 € als angemessene Vermögensreserve als ausreichend an.

Die Praxisempfehlung

  1. Ob das eigene Vermögen als "noch angemessen" anerkannt wird oder nicht, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Werden Sie beispielsweise durch einen Sozialhilfeträger zur Zahlung von Elternunterhalt in Anspruch genommen, raten wir anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Der vorstehend wiedergegebene Kriterienkatalog des BGH ist beispielhaft und bietet die Grundlage für eine erste Einschätzung der möglichen Unterhaltspflicht. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls.
     
  2. Soll die Heranziehung zu einem Elternunterhalt abgewehrt werden, 
  • sollte der Nachweis über die Höhe einer eigenen Versorgungslücke geführt werden,
  • nachgewiesen werden, dass gegebenenfalls auch für einen Ehegatten Altersversorgungsrücklagen zu bilden sind,
  • Gründe für einen Versorgungsaufbau erläutert werden können und ein Nachweis über die für die eigene Altersversorgung in Betracht gezogenen (geeigneten) Anlagen erfolgen.

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Beate Puplick, Fachanwältin für Arbeitsrecht, Fachanwältin für Familienrecht, Wirtschaftsmediatorin
Cordula Zimmermann, Fachanwältin für Arbeitsrecht

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