10 Dezember

Unter welchen Voraussetzungen kann ein GmbH-Geschäftsführer persönlich für pflichtwidrige Gehaltsauszahlungen eines Mitgeschäftsführers in die Haftung genommen werden?

OLG München, Urteil vom 22.10.2015, Az. 23 U 4861/14

Das Praxisproblem

Bei einer GmbH mit mehreren Geschäftsführern stellt sich bei pflichtwidrigen Handlungen eines der Geschäftsführer die Frage, inwieweit die übrigen Geschäftsführer verpflichtet waren, den Mitgeschäftsführer zu überwachen.

Haften diese für pflichtwidrig von einem Mitgeschäftsführer an sich selbst veranlasste Zahlungen?

Die Entscheidung

Das Oberlandesgericht München hatte in seiner Entscheidung vom 22.10.2015 (Az. 23 O 4861/14) über einen Sachverhalt zu befinden, bei dem eine GmbH von zwei ehemaligen Geschäftsführern die Rückzahlung von Vergütung, unter anderem von Urlaubs- und Weihnachtsgeld verlangte.

Die klagende GmbH besaß zwei Geschäftsführer. Der mit der ersten Geschäftsführerin geschlossene Anstellungsvertrag sah vor, dass diese ein festes Monatsgehalt von 1.900,00 € und zusätzlich als freiwillige Leistung ein Weihnachtsgeld von 1.000,00 € erhalten sollte. Der mit dem zweiten Geschäftsführer geschlossene Anstellungsvertrag sah vor, dass dieser ein festes Monatsgehalt von 5.000,00 € erhält aber keinen Anspruch auf Zahlung von Urlaubs- oder Weihnachtsgeld hat.

Beide Geschäftsführer unterzeichneten dann einen „Zusatz zum Arbeitsvertrag“, wonach der Geschäftsführer jetzt zusätzlich Urlaubs- und Weihnachtsgeld erhalten sollte. Später unterzeichneten ebenfalls beide Geschäftsführer eine Vereinbarung, wonach der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag der Geschäftsführerin aufgehoben und durch eine neue Vereinbarung ersetzt wird. Nach dieser neuen Vereinbarung sollte die Geschäftsführerin jetzt eine monatliche Vergütung von 3.575,00 € erhalten.

Alleinige Gesellschafterin der GmbH war eine in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins geführte Erzeugergemeinschaft, deren Vorsitzender der Geschäftsführer der GmbH war. In den Gesellschafterversammlungen der GmbH wurde der Verein durch seinen Vorsitzenden (zugleich Geschäftsführer der GmbH) vertreten.

Bei einer Gesellschafterversammlung der GmbH ist die Geschäftsführerin durch die Gesellschafterin, handelnd durch seinen Vorsitzenden (den zweiten Geschäftsführer) abberufen worden. Ihr wurde uneingeschränkt Entlastung erteilt.

Bereits zuvor war auf einer Gesellschafterversammlung durch den Vorsitzenden des Vereins (den zweiten Geschäftsführer der GmbH) für sich und die erste Geschäftsführerin für das abgelaufene Geschäftsjahr Entlastung erteilt worden.

Die GmbH hat gegen die beiden Geschäftsführer Klage erhoben. Sie verlangt von den beiden Geschäftsführern die Rückzahlung der erhöhten Vergütung.

Das Oberlandesgericht hat entschieden, dass die Klage gegen die Geschäftsführerin unbegründet ist. Aufgrund der ihr bei der Abberufung als Geschäftsführerin durch den Gesellschafter uneingeschränkt erteilten Entlastung seien sämtliche Ansprüche gegen die Geschäftsführerin ausgeschlossen.

Unerheblich sei dabei, dass die von ihr und dem weiteren Geschäftsführer unterzeichnete Vereinbarung, wonach der bisherige Anstellungsvertrag aufgehoben und durch einen neuen Vertrag mit höherer Vergütung ersetzt wird, unwirksam ist – der Abschluss von Dienstverträgen mit den Geschäftsführern ist zwingend von der Gesellschafterversammlung einer GmbH vorzunehmen. Rückforderungsansprüche seien durch die ihr bei der Abberufung als Geschäftsführerin erteilte Entlastung entfallen.

Demgegenüber ist der weitere Geschäftsführer zur Rückzahlung der über den ursprünglichen Dienstvertrag hinaus erhaltenen Vergütung verurteilt worden.

Der Geschäftsführer konnte sich insoweit nicht darauf berufen, dass er sich in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Vereins als des einzigen Gesellschafters der GmbH (teilweise) Entlastung erteilt hatte. Dieser Beschluss ist gemäß § 47 Abs. 4 S. 1 GmbHG unwirksam. Ein Gesellschafter, welcher durch eine Beschlussfassung entlastet oder von einer Verbindlichkeit befreit werden soll, hat hierbei kein Stimmrecht.

Der Geschäftsführer ist von dem Oberlandesgericht aber nicht nur zur Rückzahlung der an ihn selbst gezahlten Beträge verurteilt worden, sondern weitergehend auch dazu, die an die erste Geschäftsführerin des Vereins zu Unrecht erfolgten Zahlungen zurückzuzahlen. Das Oberlandesgericht hat festgestellt, dass der Geschäftsführer einer GmbH kraft seiner Amtsstellung grundsätzlich für alle Angelegenheiten der Gesellschaft zuständig sind. Es sei die Pflicht des Geschäftsführers gewesen, dafür Sorge zu tragen, dass sich seine Mitgeschäftsführerin nicht mehr an Gehalt auszahlt, als ihr nach dem ursprünglich geschlossenen Anstellungsvertrag zugestanden hätte.

Die Praxisempfehlung

  1. Beachten Sie, dass der Abschluss von Anstellungsverträgen mit Geschäftsführern einer GmbH immer durch die Gesellschafterversammlung erfolgen muss.
     
  2. Der Geschäftsführer einer GmbH ist grundsätzlich für alle Angelegenheiten der GmbH zuständig. Er ist auch für Handlungen seiner Mitgeschäftsführer verantwortlich und muss diese überwachen. Eine interne Aufgabenverteilung entlastet den Geschäftsführer nicht.
     
  3. Bei der Abberufung von Geschäftsführern muss sorgfältig darauf geachtet werden, ob und in welchem Umfang diesen Entlastung erteilt wird.

Wir stehen Ihnen gerne jederzeit beratend zur Verfügung. Sprechen Sie uns an!

Dr. Alexander Puplick, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Dr. Thorsten Olav Lau, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

 

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