13 Juni

Bauplanungsrecht: Wann sind zwei grenzständig errichtete Baukörper ein Doppelhaus?

BVerwG, Urteil vom 19.03.2015, Az. 4 C 12.14

Das Praxisproblem

Ist in einem Baugebiet nur eine offene Bauweise zulässig, so dürfen dort gemäß § 22 Abs. 2 S. 1 BauNVO nur freistehende Häuser, Doppelhäuser und Hausgruppen errichtet werden.

Im Übrigen ist eine grenzständige Bebauung grundsätzlich unzulässig. Daher kommt es darauf an, ob zwei aneinander gebaute Häuser noch die Kriterien für ein Doppelhaus erfüllen. Ist dies nicht der Fall, verstoßen die Gebäude gegen Bauplanungsrecht, sofern nur eine offene Bebauung zulässig ist.

Die Entscheidung

Mit dieser Frage hat sich das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) befasst. In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt beantragte der Nachbar des Klägers eine Baugenehmigung für einen Anbau zur Erweiterung seiner Doppelhaushälfte. Gegen diese Baugenehmigung wandte sich der Kläger. Seiner Auffassung nach war das Bauvorhaben rücksichtslos und daher unzulässig. Durch den Anbau werde der Charakter beiden Gebäude erheblich verändert. Es handele sich nicht mehr um ein Doppelhaus.

Das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht (OVG) haben einen solchen Verstoß verneint. Nach Auffassung des OVG kommt es auf die Anzahl der Geschosse, die Bautiefe, die Gebäudehöhe und das oberirdische Brutto-Raumvolumen an. Unterscheiden sich die beiden Baukörper bei einem dieser Merkmale um mehr als die Hälfte, sei nicht mehr von einem Doppelhaus auszugehen. Eine derartige Abweichung sei nicht festzustellen, so dass das Bauvorhaben nicht gegen Bauplanungsrecht verstoße.

Das BVerwG hat die Entscheidung des OVG aufgehoben und zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Nach Auffassung des BVerwG hat das OVG die so genannte „Doppelhausrechtsprechung" des BVerwG unzutreffend angewandt.

Danach fügt sich ein grenzständiges Bauvorhaben in einem so genannten unbeplanten Innenbereich nicht im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB ein, sofern nach Beseitigung einer Doppelhaushälfte ein von der verbliebenen Doppelhaushälfte abweichendes Gebäude errichtet oder eine vorhandene Doppelhaushälfte erheblich verändert wird.

Ob zwei grenzständig errichtete Baukörper ein Doppelhaus bilden, lässt sich nach Auffassung des BVerwG weder abstrakt-generell noch mathematisch prozentual bestimmen. Dabei komme es auf die Gebäudehöhen an und darauf, inwieweit sich beide Gebäude an der Grundstücksgrenze überdecken. Entscheidend sei, ob im Einzelfall der Grundsatz der Gegenseitigkeit bei der Grenzbebauung noch gewahrt ist. Dieser werde etwa dann verletzt, wenn das neu errichtete oder veränderte Gebäude deutlich größer sei als das verbliebene Gebäude.

Der Praxishinweis

  1. Auf der Grundlage der Rechtsprechung des BVerwG lässt sich nicht eindeutig bestimmen, unter welchen Voraussetzungen zwei Gebäudeteile (noch) als Doppelhaus zu qualifizieren sind. Die Rechtsprechung des BVerwG bietet mangels scharfer Abgrenzungskriterien wenig Rechtssicherheit.
     
  2. Bevor eine Doppelhaushälfte beseitigt und neu errichtet oder – etwa durch einen Anbau – erheblich verändert wird, sollte der Eigentümer der benachbarten Doppelhaushälfte eingebunden und vorsorglich zu einem Klageverzicht bewegt werden.
     
  3. Belässt es der Bauherr dabei, eine Baugenehmigung zu beantragen, ohne den Nachbarn in das Genehmigungsverfahren einzubinden, besteht die Gefahr, dass der Nachbar gegen diese Genehmigung klagt und Recht bekommt, weil das Verwaltungsgericht die Einschätzung der Genehmigungsbehörde hinsichtlich des Vorliegens eines Doppelhauses nicht teilt.


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Dr. Alexander Puplick, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Fachanwalt für Verwaltungsrecht

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