Der Chef liest mit - ist eine Überwachung der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber mittels sog. Keylogger erlaubt und in einem späteren gerichtlichen Verfahren verwertbar?
17 Januar

Der Chef liest mit - ist eine Überwachung der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber mittels sog. Keylogger erlaubt und in einem späteren gerichtlichen Verfahren verwertbar?

BAG, Urteil vom 27.07.2017, 2 AZR 681/16

Das Praxisproblem

Der Arbeitgeber ergreift Maßnahmen, um seine Arbeitnehmer hinsichtlich ihrer Tätigkeit am Arbeitsplatz zu überwachen.

Dadurch möchte er insbesondere sicher gehen, dass seine Arbeitnehmer allein ihrer beruflichen Tätigkeit nachgehen und am Arbeitsplatz keine privaten Angelegenheiten übermäßig erledigen. Im Fokus solcher Überwachungen stehen immer mehr die Dienst-Computer. Es existieren mittlerweile verschiedene Software-Programme, mit denen sich die Handlungen einer Person auf einem Computer Schritt für Schritt zurückverfolgen lassen. Ein solches Programm stellen sog. Software-Keylogger dar. Ein Software-Keylogger ist ein Programm zur Erfassung sämtlicher Tastatureingaben, die der Bediener eines Computers tätigt.

Wie weit darf aber eine solche Überwachung mittels Keyloggern überhaupt gehen? Inwieweit dürfen die dabei gewonnenen Erkenntnisse in einem späteren Rechtsstreit (insbesondere in einem Kündigungsschutzverfahren) verwertet werden?

 

Die Entscheidung

Der Arbeitnehmer war seit Juni 2011 als Webentwickler bei seiner Arbeitgeberin beschäftigt. Im März 2015 setzte die Arbeitgeberin ihre Arbeitnehmer darüber in Kenntnis, dass sie auf den Dienst-Computern ein Programm installieren werde, welches den gesamten Internet-Traffic und die Benutzung ihrer Systeme aufzeichne. Auf dem vom klagenden Arbeitnehmer genutzten Computer installierte die Arbeitgeberin eine Software (Keylogger), die alle Tastatureingaben protokollierte und regelmäßig Bildschirmfotos (Screenshots) fertigte.

In der Folge wertete die Arbeitgeberin die aus dem Keylogger gewonnenen Erkenntnisse aus und suchte das Gespräch mit ihrem Arbeitnehmer. Dieser räumte bei dem Gespräch ein, seinen Computer während der Arbeitszeit privat genutzt zu haben. Er gab an, ein Computerspiel programmiert und E-Mail Verkehr für das Unternehmen seines Vaters in geringem Umfang abgewickelt zu haben. Die Arbeitnehmerin, die von einer umfangreicheren privaten Nutzung seitens ihres Arbeitnehmers ausging, kündigte sodann das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich fristgemäß.

Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage und hatte in allen Instanzen Erfolg.

Das BAG entschied, dass die beiden von der Arbeitgeberin ausgesprochenen Kündigungen unwirksam sind. Es fehle sowohl an einem wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung als auch an einer sozialen Rechtfertigung für die unter Geltung des Kündigungsschutzgesetzes erklärte ordentliche Kündigung. In seiner Entscheidung hat das BAG bestätigt, dass die durch Keylogger gewonnenen Erkenntnisse in einem späteren gerichtlichen Verfahren gegen den Arbeitnehmer unverwertbar sind. Denn durch den Einsatz der Keylogger hat die Arbeitgeberin das Recht des Arbeitnehmers auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 1 Abs. 1 GG) verletzt. Es wird mit dieser Form der Datenerhebung massiv in dieses Recht des Arbeitnehmers eingegriffen. Ergreift die Arbeitgeberin solche Maßnahmen, wie vorliegend „ins Blaue hinein“, stellen sie sich als nicht verhältnismäßig dar.

Der Einsatz des Keyloggers war der Arbeitgeberin damit nicht erlaubt. Denn die Informationsbeschaffung der Arbeitgeberin durch dessen Einsatz ist gem. § 32 Abs. 1 BDSG unzulässig. Es fehle hierzu bereits an dem erforderlichen, durch konkrete Tatsachen begründeten Verdacht einer Straftat oder einer anderen schwerwiegenden Pflichtverletzung des Webentwicklers.

Im Übrigen habe die Vorinstanz (Landesarbeitsgericht) im Hinblick auf die vom Arbeitnehmer eingeräumte Privatnutzung in zutreffender Weise angenommen, dass diese eine Kündigung mangels vorheriger erforderlicher Abmahnung nicht rechtfertige.

 

Praxisempfehlung

Das BAG hat entschieden, dass Arbeitgeber die Tätigkeit ihrer Arbeitnehmer an Dienst-Computern nicht uneingeschränkt überwachen dürfen.

Im Ergebnis darf eine Kündigung wegen geringer Privatnutzung des Dienst-Computers nicht ausgesprochen werden. Überwachungsmaßnahmen anhand von Keyloggern stellen bei Fehlen eines Verdachts hinsichtlich einer Straftat oder schwerwiegenden Pflichtverletzung einen massiven Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Arbeitnehmer dar. Sie unterliegen in einem späteren gerichtlichen Verfahren einem Beweisverwertungsverbot.

Folgendes gilt zu beachten:

Personenbezogene Daten eines Beschäftigten dürfen nur erhoben werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der betroffene Arbeitnehmer im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat oder eine schwerwiegende Pflichtverletzung begangen hat. Die Erhebung muss zu deren Aufdeckung erforderlich sein und das schutzwürdige Interesse des betroffenen Arbeitnehmers darf nicht überwiegen. Die Art und das Ausmaß der Maßnahme darf im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sein.

Wenn ein Arbeitnehmer der ihm mitgeteilten Überwachungsmaßnahme nicht widerspricht, ist dieses keine Einverständniserklärung in die Informationserhebung. Jedoch können Kontrollmaßnahmen, die weniger intensiv in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingreifen, auch ohne das Vorliegen eines durch Tatsachen begründeten Anfangsverdachts zulässig sein. Dies gilt vor allem für nach abstrakten Kriterien durchgeführte, keinen Arbeitnehmer besonders unter Verdacht stellende offene Überwachungsmaßnahmen, die der Verhinderung von Pflichtverletzungen dienen.

Wir stehen Ihnen gerne jederzeit beratend zur Verfügung, um mit Ihnen zu besprechen, inwieweit eine vorgenommene bzw. vorzunehmende Überwachungsmaßnahme zulässig und in einem möglichen späteren gerichtlichen Verfahren verwertbar ist. Sprechen Sie uns an!

 

Beate Puplick Fachanwältin für Arbeitsrecht

Fachanwältin für Familienrecht Wirtschaftsmediatorin

Gelesen 1722 mal

Wir brauchen Ihre Zustimmung!

Diese Webseite verwendet Google Maps um Kartenmaterial einzubinden. Bitte beachten Sie, dass hierbei Ihre persönlichen Daten erfasst und gesammelt werden können.
Um die Google Maps Karte zu sehen stimmen Sie bitte zu, dass diese vom Google-Server geladen wird. Weitere Informationen finden sie HIER