Muss ein Arbeitnehmer gehalten eine unbillige Weisung des Arbeitgebers vorläufig befolgen, bis er vor Gericht obsiegt?
17 Januar

Muss ein Arbeitnehmer gehalten eine unbillige Weisung des Arbeitgebers vorläufig befolgen, bis er vor Gericht obsiegt?

BAG, Beschluss vom 14.06.2017, 10 AZR 330/16

Das Praxisproblem

Dem Arbeitgeber steht grundsätzlich ein sogenanntes Direktionsrecht (Weisungsrecht) zu.

Er kann Ort, Zeit und Inhalt der zu erbringenden Arbeitsleistung einseitig festlegen. Sein Direktionsrecht darf der Arbeitgeber jedoch nur unter Einhaltung der geltenden gesetzlichen Bestimmungen, möglichweise vorhandener vertraglichen Vereinbarungen und nach „billigem Ermessen“ ausüben. Insbesondere darf der Arbeitgeber sein Direktionsrecht nicht missbrauchen, um beispielsweise einen Arbeitnehmer abzustrafen und/ oder gefügig zu machen, bzw. um dies zu versuchen.

Der 5. Senat des BAG vertrat bislang die Auffassung, dass ein Arbeitnehmer auch unbillige Weisungen seines Arbeitgebers befolgen müsse. Der 10. Senat möchte nunmehr die Auffassung vertreten, dass ein Arbeitnehmer - auch nicht vorläufig - an eine Weisung seines Arbeitgebers gebunden ist, die die Grenzen des billigen Ermessens nicht wahrt.

 

Die Entscheidung

Der Kläger war seit dem Jahr 2001 bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängern angestellt. Zuletzt wurde er als Immobilienkaufmann am Standort Dortmund eingesetzt. Ursprung des Streits waren innerbetriebliche Probleme der Belegschaft mit dem Kläger. Die Belegschaft lehnte eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger ab.

Ausweislich des Arbeitsvertrages war die beklagte Arbeitgeberin dazu berechtigt, dem Kläger einen anderen Arbeitsort zuzuweisen. Von diesem Recht machte die Arbeitgeberin Gebrauch und versetzte den Kläger nach Berlin. Nachdem dieser die Arbeit dort nicht aufnahm, sprach die Beklagte zunächst zwei Abmahnungen und sodann die fristlose Kündigung und hilfsweise die ordentliche Kündigung aus.

Gegen diese Kündigung wandte sich der Kläger und bekam sowohl vom Arbeits- als auch vom Landesarbeitsgericht Recht.

Der 10. Senat des BAG vertrat die Auffassung, dass weder der Tarifvertrag, noch das BetrVG, noch § 612a BGB zur Unwirksamkeit der Weisung führten. Vielmehr sei es am BAG die Weisung auf ihre Billigkeit hin zu überprüfen. Insoweit stellte das BAG fest, dass die Bewertung der Billigkeit einer individualvertraglichen Weisung nach den Grundsätzen der Kontrolle der Interpretation von unbestimmten Rechtsbegriffen zu erfolgen hat und hielt die Bewertung des Landesarbeitsgerichts aufrecht.

Nach Auffassung des 10. Senats müsse der Kläger der unbilligen Weisung keine Folge leisten. Insbesondere sei bis zur Entscheidung des 5. Senats eine Bindungswirkung einer unbilligen Weisung nicht vertreten worden.

Aufgrund der divergierenden Sichtweise sah sich der 10. Senat des BAG an einer abschließenden Entscheidung gehindert und legte dem 5. Senat die Frage vor, ob er an seiner Rechtsprechung festhalten wolle.

In seinem Antwortbeschluss vom 14.09.2017 (5 AS 7/17) gab der 5. Senat seine bisherige Rechtsprechung auf. Er vertritt nicht mehr die Auffassung, dass sich ein Arbeitnehmer über eine unbillige Ausübung des Weisungsrechts nicht hinwegsetzen darf, sondern die Gerichte für Arbeitssachen anrufen muss.

 

Praxisempfehlung

Die Entscheidung ist sowohl in rechtlicher Hinsicht, als auch mit Blick auf die betrieblichen Abläufe zu begrüßen. Das BAG hat klargestellt, dass ein Arbeitnehmer einer unbilligen Weisung nicht – und zwar auch nicht vorläufig – Folge leisten muss.

Wann eine Weisung unbillig ist, muss nach wie vor in jedem Einzelfall ermittelt werden. Eine endgültige Klärung ist insoweit nicht möglich, da diese Rechtsunsicherheit unbestimmten Rechtsbegriffen wie „unbillig“ immanent ist. Das Risiko einer Fehleinschätzung bleibt aber beim Arbeitnehmer. Dieses muss jeder Arbeitnehmer bedenken, wenn er sich einer Weisung widersetzen will, die er für unbillig hält.

Wir stehen Ihnen gerne jederzeit beratend zur Verfügung, um zu klären, ob eine von Ihnen erteilte Weisung unbillig ist. Sprechen Sie uns an!

 

Beate Puplick Fachanwältin für Arbeitsrecht,

Fachanwältin für Familienrecht, Wirtschaftsmediatorin

 

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