Sind Ermittlungen eines Detektives zur Begründung einer außerordentlichen Kündigung verwertbar?
14 September

Sind Ermittlungen eines Detektives zur Begründung einer außerordentlichen Kündigung verwertbar?

BAG, Urteil vom 29.06.2017, Az. 2 AZR 597/16

Das Praxisproblem

Der Arbeitgeber hat den Verdacht, dass sein Arbeitnehmer eine schwerwiegende Pflichtverletzung begeht. Eine Straftat liegt nicht vor.

Der Arbeitgeber hat jedoch keine Beweise für die Pflichtverletzung. Um sich solche Beweise zu verschaffen, beauftragt der Arbeitgeber einen Detektiv. Der Detektiv recherchiert und sammelt Unterlagen und Daten. Diese stellt er dem Arbeitgeber zur Verfügung. Dieses Sammeln von personenbezogenen Daten eines Beschäftigten darf nur dann erfolgen, wenn die Datenerhebung für die Durchführung oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erforderlich ist. Es stellt sich die Frage, ob sich der Arbeitnehmer darauf berufen kann, dass die Sammlung von Daten unbefugt erfolgte, also ein Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) vorliegt und hieraus möglicherweise ein Beweisverwertungsverbot resultiert. Ein solches Beweisverwertungsverbot würde dazu führen, dass der Arbeitgeber die von ihm ausgesprochene fristlose Kündigung nicht begründen könnte.

Die Entscheidung

Der Arbeitgeber stellt Stanzwerkzeuge und -formen her. Der Kläger war seit Dezember 1978 als Mitarbeiter im Stanzformenbau beschäftigt. Im Jahr 2014 war er mehrfach arbeitsunfähig krankgeschrieben. Seit dem 20.01.2015 war er durchgehend arbeitsunfähig. Der Arbeitgeber erbrachte Entgeltfortzahlung bis zum 02.03.2015.

Der Arbeitgeber erhielt Ende Mai 2015 Kenntnis über eine E-Mail eines Konkurrenzunternehmens. Das Konkurrenzunternehmen gehört den Söhnen des Arbeitnehmers. In dieser E-Mail wurde die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers und seine Erfahrung aus 38 Jahren Tätigkeit im Stanzformenbau gelobt. Aufgrund dieser E-Mail wurde der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber angehört. Bei der Anhörung konfrontierte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ausdrücklich damit, dass er den Arbeitnehmer verdächtige, wettbewerbswidrige Konkurrenztätigkeit auszuüben und eine Erkrankung vorzutäuschen. Der Arbeitnehmer äußerte sich jedoch auf die Anfrage des Arbeitgebers nicht.

Dieses Konkurrenzunternehmen wurde 2013 gegründet. Als der Arbeitgeber hiervon Kenntnis erhielt, insbesondere davon Kenntnis erhielt, dass die Firma den Söhnen des Arbeitnehmers gehört, wurde der Arbeitnehmer eindringlich darüber belehrt, dass er in dem Unternehmen seiner Söhne nicht tätig werden dürfe, da es sich um einen Konkurrenzbetrieb handele. Bereits im Februar, März und Juni 2014 hatte der Arbeitgeber einen Detektiv beauftragt, um zu recherchieren, ob der Arbeitnehmer während seiner Arbeitsunfähigkeit im Betrieb seiner Söhne arbeite. Es wurden von dem eingeschalteten Detektiv zwar Anhaltspunkte gefunden, aber keine endgültigen Beweise. Nachdem der Arbeitgeber von der E-Mail aus Ende Mai 2015 Kenntnis erhalten hatte, beauftragte er erneut einen Detektiv. Dieser gab sich als Fahrer einer Kundenfirma aus. Er konnte bei einem Besuch Anfang Juni 2015 feststellen, dass der Arbeitnehmer in der Firma Tätigkeiten erbrachte.

Daraufhin sprach der Arbeitgeber mit Schreiben vom 11.06.2015 eine außerordentliche fristlose Kündigung aus und machte gegenüber dem Arbeitnehmer Detektivkosten in Höhe von 746,55 € für den Einsatz des Detektives im Juni 2015 geltend.

Das BAG hat zunächst festgestellt, dass sowohl das Erschleichen von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen als auch die Konkurrenztätigkeit während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses an sich einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses darstellt. Problematisch war im vorliegenden Fall, ob die durch den Detektiv ermittelten Beweise im gerichtlichen Verfahren zur Begründung der fristlosen Kündigung herangezogen werden durften.

Das BAG prüfte dabei, ob sich die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbaren lassen. Das Grundrecht schützt neben der Privat- und Intimsphäre und aufgrund seiner speziellen Ausprägung als Recht am eigenen Bild auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das die Befugnis garantiert, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden. Durch das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) wird dieser Schutz konkretisiert. Das BDSG regelt, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe durch öffentliche oder nicht-öffentliche Stellen in die geschützte Rechtsposition zulässig sind.

Nach der Rechtsprechung steht fest, dass die Observation eine Datenerhebung ist und als solche einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers, also das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellt. Ein solcher Eingriff ist nach § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG dann zulässig, wenn er zur Aufdeckung einer Straftat dient. Er ist aber auch in sonstigen Zwecken des Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG zulässig. Die Zulässigkeit kann sich überdies auch aus dem Gesichtspunkt der Wahrung berechtigter Interessen im Sinne des § 28 Abs. 1 S. 1 BDSG ergeben.

Im konkreten Fall kann sowohl die Kontrolle, ob der Arbeitnehmer seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nachkam, als auch die Aufdeckung einer Pflichtverletzung, die zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen kann, die Datenerhebung durch Observation rechtfertigen.

Es darf dann keine weniger einschneidenden Mittel zur Aufklärung des Verdachtes geben oder diese müssen ergebnislos ausgeschöpft worden sein. Im konkreten Fall hat die Anhörung des Arbeitnehmers nichts erbracht. Die Einschaltung des medizinischen Dienstes betrachtet das BAG nicht als geeignetes milderes Mittel.

Bewahrheiten sich die Vorwürfe gegen den Arbeitnehmer, steht dem Arbeitgeber ein Erstattungsanspruch für die von ihm aufgewendeten Kosten für die Beauftragung des Detektives für den Einsatz im Juni 2015 zu.

Das BAG hält es nach den Vorträgen der Parteien nicht für ausgeschlossen, dass die vom Arbeitgeber veranlasste Überwachungsmaßnahme zur Aufklärung verhältnismäßig war. Verhältnismäßigkeit wäre dann gegeben, wenn die Schwere des Eingriffes bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu den rechtfertigenden Gründen steht. Dies ist im konkreten Fall durch das Landesarbeitsgericht zu überprüfen. Deswegen hat das BAG den Rechtsstreit an das zuständige LAG Baden-Württemberg zurückverwiesen.

Praxisempfehlung

Eine Observation durch eine Detektei ist eine Datenerhebung. Eine solche Datenerhebung ist nur zulässig, wenn sie zur Aufdeckung einer Straftat dient, wenn sie den Zwecken des Beschäftigungsverhältnisses dient oder zur Wahrung sonstiger berechtigter Interessen. Sie darf aber nur dann vorgenommen werden, wenn sie keine übermäßige Belastung für den Arbeitnehmer darstellt. Die verdeckte Observation ist also nur dann zulässig, wenn der Eingriff geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte des Arbeitnehmers angemessen ist, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Mildere Mittel müssen vorher ausgeschöpft werden.

Bevor Sie also eine Observation durch eine Detektei beauftragen, müssen Sie versuchen, durch andere geeignete Maßnahmen eine Aufklärung des Sachverhaltes herbeizuführen. Ist die Observation nicht das mildeste Mittel oder ist sie nicht verhältnismäßig, dürfen die von der Detektei ermittelten Tatsachen nicht zur Begründung einer Kündigung herangezogen werden. Das Gericht darf sie, aufgrund des dann bestehenden Verwertungsverbotes, nicht berücksichtigen.

 

Wir stehen Ihnen gerne jederzeit beratend zur Verfügung, um mit Ihnen zu besprechen, ab welchem Zeitpunkt die Beauftragung einer Detektei sinnvoll ist und insbesondere, ob die von einer Detektei ermittelten Erkenntnisse unter ein Beweisverwertungsverbot fallen. Sprechen Sie uns an!

 

Beate Puplick  Fachanwältin für Arbeitsrecht

Fachanwältin für Familienrecht Wirtschaftsmediatorin

Cordula Zimmermann Fachanwältin für Arbeitsrecht

 

Gelesen 2009 mal

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