Kann das Gericht die Höhe einer Sonderzahlung bestimmen?
14 September

Kann das Gericht die Höhe einer Sonderzahlung bestimmen?

LAG Düsseldorf, Urteil vom 12.04.2017, Az. 7 Sa 121/16

(Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt unter dem Az. 10 AZN 456/17)

Das Praxisproblem

In Arbeitsverträgen werden Sonderzahlungen in der Regel als freiwillige soziale Leistungen bezeichnet, auf die auch bei wiederholter Auszahlung kein Rechtsanspruch besteht.

Teilweise finden sich in Arbeitsverträgen neben diesem Freiwilligkeitsvorbehalt Regelungen, wie eine solche Sonderzahlung in dem Fall, wenn sie gezahlt wird, zu berechnen ist.

Grundsätzlich beinhaltet der Freiwilligkeitsvorbehalt, dass der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, überhaupt eine Sonderzahlung zu leisten. Grundsätzlich kann der Arbeitgeber also die Sonderzahlung ersatzlos streichen. Das LAG Düsseldorf hält dies jedoch in dem entschiedenen Fall für unzulässig und hat nach Ermittlung des Sachverhaltes die Sonderzahlung nach billigem Ermessen gemäß § 315 BGB festgesetzt.

Problematisch ist also die Verknüpfung eines Freiwilligkeitsvorbehaltes mit Berechnungsgrundsätzen für die Sonderzahlung.

Die Entscheidung

Der Arbeitnehmer ist seit dem 01.04.1999 bei einer internationalen Bank mit mehreren Niederlassungen in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt. Im Dezember 2001 schlossen die Parteien einen Anstellungsvertrag für außertarifliche Mitarbeiter. Der Arbeitnehmer wurde hiernach in der Hauptniederlassung als „Kundenbetreuer innerhalb des Geschäftsbereiches Firmenkunden Inland F“ beschäftigt. Im Rahmen seiner Tätigkeit betreute er Firmenkunden unterschiedlicher Größe. Sein Jahresbruttogehalt betrug 76.500,00 €. Mit Wirkung zum 01.04.2006 wurde der Arbeitnehmer zum Abteilungsdirektor befördert. Er erhielt Gesamtprokura.

Ab dem Kalenderjahr 2006 erhielt der Kläger Sonderzahlungen in unterschiedlicher Höhe die zwischen 23.600,00 € und ca. 31.000,00 € brutto lagen. Mit Auszahlung der Sonderzahlung erhielt er jeweils ein Schreiben, in dem die Bank darauf hinwies, dass es sich um freiwillige Sonderzahlungen handele. Die Auszahlung erfolgte jeweils im Folgejahr für das vorhergehende Kalenderjahr.

Im Januar 2011 erstellte die Bank ein Vergütungssystem. Hiernach soll im Rahmen des jährlichen Personalplanungsprozesses durch die Stabs- und Geschäftsbereichsleiter der Geschäftsleitung der Bank ein Vorschlag für außertarifliche Gehaltserhöhungen sowie für freiwillige variable Sonderzahlungen gemacht werden. Über diese Vorschläge entscheidet sodann die Geschäftsleitung. Hierbei soll die Geschäftsleitung die näher beschriebene Vergütungsgrundsätze beachten.

Im Februar 2012 erhielt der Arbeitnehmer eine Sonderzahlung in Höhe von 34.100,00 € brutto mit dem oben bereits dargestellten Schreiben. Der Arbeitnehmer wurde mit Wirkung zum 01.06.2012 in den Bereich Firmenkunden E versetzt, weil das Firmenkundenteam F aufgelöst wurde. Mit Schreiben vom 03.09.2012 wurde der Arbeitnehmer auf die Position eines Kundenbetreuers innerhalb des Bereiches International Banking Team versetzt. Für das Jahr 2012 erhielt er keine Sonderzahlung. Andere außertarifliche Mitarbeiter verschiedener anderer Abteilungen erhielten eine Sonderzahlung für das Jahr 2012.

Das LAG hat entschieden, dass dem Arbeitnehmer dem Grunde nach ein Anspruch auf eine variable Vergütung auch für das Geschäftsjahr 2012 zusteht. Dieser Anspruch ergebe sich aus dem zwischen den Parteien vereinbarten Vergütungssystem der Bank aus Januar 2011 sowie aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Festsetzung der Sonderzahlung an den Arbeitnehmer auf „null“ durch die Bank entspreche, so das LAG, nicht billigem Ermessen und sei daher unverbindlich.

Zunächst stellte das LAG fest, dass das von der Bank erstellte Vergütungssystem eine Gesamtzusage darstelle, aus der sich dem Grunde nach ein Rechtsanspruch des Klägers auf eine Sonderzahlung ergäbe. Eine Gesamtzusage definiert das LAG wie folgt: „Eine Gesamtzusage ist die an alle Arbeitnehmer des Betriebes oder einen nach abstrakten Merkmalen bestimmten Teil von ihnen in allgemeiner Form gerichtete ausdrückliche Erklärung des Arbeitgebers, bestimmte Leistungen erbringen zu wollen. Eine ausdrückliche Annahme des in der Erklärung enthaltenen Antrages ... wird dabei nicht erwartet. Ihrer bedarf es nicht.“

Diese Gesamtzusage, so das LAG, stelle Allgemeine Geschäftsbedingungen dar. Da im Zusammenhang mit der Gesamtzusage zwar ein Freiwilligkeitsvorbehalt erfolgte, zum anderen aber ein konkretes Vergütungssystem dargestellt wurde, war durch das Gericht auszulegen, ob dem Kläger überhaupt ein Rechtsanspruch auf eine Sonderzahlung zustehe. Da die Auslegung nicht zu einem eindeutigen Ergebnis kam, liege eine unklare Regelung vor. Eine solche unklare Regelung gehe zulasten desjenigen, der die Regelung verwendet. Da sich aus der Gesamtzusage nicht ergab, unter welchen Voraussetzungen eine Sonderzahlung entfällt, sprach das LAG dem Arbeitnehmer dem Grunde nach einen Anspruch auf eine Sonderzahlung zu.

Gemäß der Gesamtzusage sollte die Höhe der Sonderzahlung nach billigem Ermessen bestimmt werden. Im vorliegenden Fall hatte die Bank die Sonderzahlung auf „null“ festgesetzt. Sie musste gegenüber dem Gericht darlegen, warum die Festsetzung der Sonderzahlung auf „null“ beim Arbeitnehmer der Billigkeit entsprach. Dies war der Bank zur Überzeugung des Gerichtes nicht gelungen. Das LAG wies darauf hin, dass die Ausübung des billigen Ermessens durch die vorliegende Gesamtzusage konkret bestimmt wurde und die Bank deswegen hiervon nicht einseitig abweichen durfte. Die Bank durfte also nicht im Nachhinein einzelne Elemente, wie individuelle Leistungserfolge anders gewichten als in der Gesamtzusage vorgegeben. Auch fehlende Leistungsbeurteilungen konnte die Bank nicht heranziehen, um eine Reduzierung der Sonderzahlung gegenüber dem Arbeitnehmer zu begründen.

Da die Festsetzung der Sonderzahlung auf „null“ gegenüber dem Arbeitnehmer unbillig war, konnte die Sonderzahlung durch das Gericht bestimmt werden. Das LAG übte sein richterliches Ermessen auf der Grundlage des gesamten Prozessstoffes aus. Im vorliegenden Rechtsstreit hat das LAG die durchschnittliche Höhe der in der Vergangenheit seit der Beförderung des Arbeitnehmers zum Abteilungsdirektor im Kalenderjahr 2006 von der Bank geleisteten Sonderzahlungen zugrunde gelegt. Im Ergebnis stand dem Arbeitnehmer eine Sonderzahlung in Höhe von 29.000,00 € brutto zu.

Zudem begründete das LAG den Anspruch des Klägers auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung.

Praxisempfehlung

Wird mit Arbeitnehmern eine freiwillige soziale Leistung vereinbart, auf die auch bei wiederholter Auszahlung kein Rechtsanspruch entstehen soll, darf darüber hinaus keine Vereinbarung zur Berechnung einer etwaigen solchen freiwilligen Sonderzahlung getroffen werden. Zudem ist immer zu berücksichtigen, dass alle vergleichbaren Arbeitnehmer bei der Gewährung einer Sonderzahlung gleich zu behandeln sind.

 

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Beate Puplick Fachanwältin für Arbeitsrecht

Fachanwältin für Familienrecht Wirtschaftsmediatorin

Cordula Zimmermann Fachanwältin für Arbeitsrecht

 

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