Darf der Auftragnehmer eigenmächtig von dem im Leistungsverzeichnis genannten Produkt abweichen, wenn ein solches auf dem Markt nicht existiert oder nicht verfügbar ist?
26 November

Darf der Auftragnehmer eigenmächtig von dem im Leistungsverzeichnis genannten Produkt abweichen, wenn ein solches auf dem Markt nicht existiert oder nicht verfügbar ist?

OLG München, Beschluss vom 03.08.2017, 28 U 3844/16 Bau; BGH, Beschluss vom 07.03.2018, VII ZR 121/17 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

Das Praxisproblem

Der Auftragnehmer verwendet ein anderes Produkt, als im Leistungsverzeichnis vorgegeben.

Der Auftraggeber rügt dies daraufhin als Mangel und verlangt Nacherfüllung. Dies wird vom Auftragnehmer mit der Begründung zurückgewiesen, dass das eingebaute Bauteil gleichwohl für den technischen Zweck geeignet sei.

 

Die Entscheidung

Das OLG München hatte einen Fall zu entscheiden, in dem vom Auftragnehmer bei Abdichtungsarbeiten nicht wie im Leistungsverzeichnis vorgegeben, 1,5 mm dicke Abdichtungsfolien verwand wurden, sondern lediglich 1,2 mm dicke Abdichtungsfolien.

Der Auftragnehmer wies die Mängelrüge des Auftraggebers mit der Begründung zurück, dass die eingebaute Folie gleichwohl für den technischen Zweck geeignet sei und ein Komplettaustausch jedenfalls unverhältnismäßig wäre. Zu Unrecht, wie sowohl das OLG München als auch schon die Vorinstanz, das Landgericht München, feststellten.

Der Auftraggeber hat im Leistungsverzeichnis ausdrücklich eine Dicke von 1,5 mm angegeben. Mit dieser Angabe hat er seinen Wunsch nach einer bestimmten Soll-Beschaffenheit ausreichend dokumentiert. Hierüber darf sich ein Auftragnehmer nicht eigenmächtig hinwegsetzen.

Nach dem so genannten subjektiven Mängelbegriff des Bundesgerichtshofes ist jede Abweichung von der Soll-Beschaffenheit ein Mangel. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Wert oder die Gebrauchstauglichkeit gemindert oder sogar gesteigert wird.

Auch auf die Unverhältnismäßigkeit kann sich der Auftragnehmer nicht berufen, sofern er das Leistungshindernis zu vertreten hat, § 275 Abs. 2 S. 2 BGB. Insoweit sieht das OLG keine Veranlassung von dem beim Landgericht zugrunde gelegten Verschuldensmaßstab „Mittlere Fahrlässigkeit“ abzuweichen. Die eigenmächtige Abweichung vom Leistungsverzeichnis ohne vorherige Rücksprache mit dem Auftraggeber ist ein dem Auftragnehmer anzulastendes Verschulden.

Auf das Argument des Auftragnehmers, dass es kein Produkt mit der in dem Leistungsverzeichnis beschriebenen Stärke von 1,5 mm auf dem Markt gäbe, kommt es nach Auffassung des OLG nicht an.

Stellt der Unternehmer fest, dass es auf dem Markt keine derartige Folie gibt, so kann er nicht eigenmächtig auf eine andere Folie zurückgreifen. Vielmehr muss er sich mit dem Besteller ins Benehmen setzen und auf eine Vertragsanpassung hinwirken.

Unterlässt der Auftragnehmer die Rücksprache mit seinem Auftraggeber, so bleibt es bei der vereinbarten Soll-Beschaffenheit und bei der Bejahung eines Mangels, wenn hiervon abgewichen wird.

 

Praxisempfehlung

Die vorgenannte Entscheidung zeigt, dass ein eigenmächtiges abweichen vom Leistungsverzeichnis durch den Auftragnehmer, diesen teuer zu stehen kommen kann. Keinesfalls sollte ohne jedwede Rücksprache, eigenmächtig vom Leistungsverzeichnis abgewichen werden.

Die Entscheidung und die Planungsverantwortung darüber, wie die Leistung ausgeführt werden soll, sollte in jedem Falle dem Auftraggeber verbleiben.

 

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