Architektenrecht – Kann eine Bauausführung entgegen den anerkannten Regeln der Technik vereinbart werden?
29 November

Architektenrecht – Kann eine Bauausführung entgegen den anerkannten Regeln der Technik vereinbart werden?

OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.06.2017 - 22 U 14/17

Das Praxisproblem

Haben die Parteien eines Bauvertrages nichts gesondert vereinbart,

schuldet der Auftragnehmer eine Leistung, die mindestens den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Gleiches gilt für die Planungsleistung des Architekten. Umgekehrt schuldet der Auftragnehmer immer eine solche Leistung, die geeignet ist, den vereinbarten und damit vertraglich geschuldeten Erfolg herbeizuführen. Das Werk muss daher in jedem Fall die nach dem Vertrag vorausgesetzte Funktion erfüllen.

 

Die Entscheidung

Ein Werkunternehmer hatte eine Fußbodenheizung und eine Bodendämmung in einer Garage herzustellen. Dabei stellte sich im Anschluss heraus, dass das von ihm eingebaute Dämmsystem nicht den anerkannten Regeln der Technik zur Herstellung eines Bodenbelages in einer Garage entsprach. Gleichwohl berief sich der Werkunternehmer darauf, dass er eine mangelfreie Leistung erbracht habe, weil die Fußbodenheizung ihre Funktion erfüllen würde.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte damit unter anderem die Frage zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen sich der Auftragnehmer darauf berufen kann, dass seine nicht den anerkannten Regeln der Technik entsprechende Werkleistung gleichwohl mangelfrei sei.

Dass Oberlandesgericht hat nochmals deutlich gemacht, dass die Vertragsparteien grundsätzlich auch eine Abweichung der Leistung von den anerkannten Regeln der Technik vereinbaren können. Ein Einverständnis des Auftraggebers hierzu sei aber nur dann anzunehmen, wenn der Auftragnehmer den Auftraggeber auf das mit der Nichteinhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik verbundene Risiko hinweist, es sei denn, dem Auftraggeber ist dies bekannt oder das Risiko ergibt sich ohne weiteres aus den Umständen.

Der Auftraggeber kann im Einzelfall auch das Risiko - nach pflichtgemäßer Aufklärung durch den Auftragnehmer - rechtsgeschäftlich übernehmen. Ohne eine entsprechende Aufklärung kommt indes die Annahme einer rechtsgeschäftlichen Zustimmung, dass der Auftragnehmer seine Werkleistung abweichend von den allgemein anerkannten Regeln der Technik erbringt, in aller Regel nicht in Betracht, so das Oberlandesgericht.

Das Oberlandesgericht hatte sich zudem mit der Frage auseinanderzusetzen, ob und unter welchen Umständen eine Mangelbeseitigung als unverhältnismäßig durch den Auftragnehmer abgelehnt werden darf.

Im vorliegenden Fall musste zur Mängelbeseitigung an der Dämmschicht nicht nur die Fußbodenheizung vollständig entfernt werden, sondern auch der darüber liegende Estrich. Hierzu hat das Oberlandesgericht ausgeführt:

Ist die Funktionsfähigkeit des Werkes spürbar beeinträchtigt bzw. droht eine solche spürbare Beeinträchtigung, so kann Nachbesserung regelmäßig nicht wegen hoher Kosten verweigert werden. Dies auch dann, wenn die Höhe der Kosten aus einem technisch zwangsläufig zu erneuernden Fremdgewerk folgen.

Es reicht deshalb nicht, wenn die Mängelbeseitigungskosten hoch sind, unter Umständen sogar den Werklohn deutlich übersteigen. Je erheblicher der Mangel ist, desto weniger Rücksicht wird auf die Höhe der Kosten der Nacherfüllung zu nehmen sein. Insbesondere Mängel, die den Wohn- bzw. Funktionswert eines Bauwerks erheblich beeinträchtigen, werden regelmäßig ohne Rücksicht auf die Kosten zu beseitigen sein.

 

Die Praxisempfehlung

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat sich in der vorgenannten Entscheidung mit einer Vielzahl von Einzelproblemen im Zusammenhang mit den Gewährleistungsansprüchen des Auftraggebers auseinander gesetzt. Die vorstehenden Grundsätze gelten sowohl für die Haftung des Bauunternehmers als auch für einen Planungsmangel des Architekten.

Bei einer Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik gehen alle Baubeteiligten ein hohes Risiko ein. Darauf, ob sich hieraus auch ein konkreter Schaden entwickelt, kommt es nicht an. Denn bereits die Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik selbst stellt eine mangelhafte Leistung dar.

Nur dann, wenn der Auftragnehmer / Architekt nachweisen kann, dass er den Auftraggeber in ausreichendem Umfang über das Risiko einer Abweichung aufgeklärt hat und dieser damit ausdrücklich einverstanden war, kann es zu einem Haftungsausschluss kommen. Dabei kommt es nach der Rechtsprechung immer auf die Umstände des konkreten Einzelfalls an.

Eine solche Zustimmung zur Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik dürfte im Übrigen die Ausnahme sein. Welcher Bauherr wird sich sehenden Auges auf ein solches Risiko einlassen? Der notwendige Nachweis wird nur dann erbracht werden können, wenn sowohl die Aufklärung als auch die Zustimmung schriftlich erfolgen.

 

Gelesen 1200 mal

Wir brauchen Ihre Zustimmung!

Diese Webseite verwendet Google Maps um Kartenmaterial einzubinden. Bitte beachten Sie, dass hierbei Ihre persönlichen Daten erfasst und gesammelt werden können.
Um die Google Maps Karte zu sehen stimmen Sie bitte zu, dass diese vom Google-Server geladen wird. Weitere Informationen finden sie HIER