Insolvenzrecht: Haftung des Geschäftsführers einer GmbH für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife?
25 Oktober

Insolvenzrecht: Haftung des Geschäftsführers einer GmbH für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife?

BGH, Urteil vom 04.07.2017, Az. II ZR 319/15

Das Praxisproblem

Der Geschäftsführer einer GmbH hat gemäß § 64 S. 1 GmbHG der Gesellschaft die Zahlungen zu ersetzen, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach der Feststellung von deren Überschuldung, geleistet werden.

Dieses gilt nicht für solche Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes vereinbar sind (§ 64 S. 2 GmbHG). Wie ist diese Norm auszulegen?

Die Entscheidung

Der Bundesgerichtshof hat sich in seinem Urteil vom 04.07.2017 (Az. II ZR 319/15) mit einem Sachverhalt auseinandergesetzt, bei dem der Director einer private company limited by shares nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit an verschiedene Gläubiger Gelder zahlte. Die Gesellschaft unterhielt in Deutschland eine Niederlassung. Unter anderem erfolgten Zahlungen für Energie, Wasser, einen Kaffeeautomatenservice, Telekommunikations- und Internetkosten, Kabelfernsehen und Gehaltszahlungen an Mitarbeiter.

Der Bundesgerichtshof stellte zunächst fest, dass auf den Sachverhalt aufgrund der in Deutschland belegenen Niederlassung das deutsche GmbHG Anwendung findet.

Der Bundesgerichtshof führte weiter aus, dass es Aufgabe des Geschäftsführers einer GmbH ist, nach Eintritt der Insolvenzreife nicht nur einen Insolvenzantrag zu stellen (§ 15a InsO), sondern er im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger auch die noch vorhandene Masse zu erhalten hat.

Durch den Geschäftsführer veranlasste Zahlungen, mit denen die Masse geschmälert wird, führen grundsätzlich zur Schadensersatzpflicht des Geschäftsführers. Diese Schadensersatzpflicht endet dann, wenn und sobald die Schmälerung der Insolvenzmasse ausgeglichen wird.

Bei der Bewertung des Ausgleichs der Masseschmälerung ist nicht jeder beliebige Massezufluss zu berücksichtigen. Es ist ein unmittelbarer wirtschaftlicher, nicht notwendig zeitlicher Zusammenhang der Zahlung mit dem Massezufluss notwendig.

Bei Vorliegen eines unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhanges kommt als die Masseschmälerung ausgleichender Massezufluss auch in Betracht, dass ein Gegenwert in das Gesellschaftsvermögen gelangt.

Bei dieser Betrachtung sind die Regelungen über die Unanfechtbarkeit von Bargeschäften (§ 142 InsO) weder unmittelbar, noch analog anwendbar. Hintergrund ist nach Rechtserfassung des Bundesgerichtshofs, dass der § 64 S. 1 GmbHG die Gesamtheit der Gläubiger einer GmbH schützt, während der § 142 InsO nur einzelne Geschäftspartner des Unternehmens schützt.

Nach diesen Maßstäben führen sämtliche der vorgenannten Zahlungen zur Schadensersatzpflicht des Geschäftsführers.

Arbeits- oder Dienstleistungen führen nicht zu einer Erhöhung der Aktivmasse der zahlungsunfähigen GmbH und stellen damit keinen Ausgleich des Masseabflusses dar. Entsprechendes gilt für die übrigen Zahlungen.

Die mit dem „Kaffeeautomatenservice“ verbunden Materiallieferungen sind nach Auffassung des BGH grundsätzlich als Ausgleich des Masseabflusses geeignet. Derartige Materiallieferungen müssen aber für die Insolvenzgläubiger verwertbar sein. Dieses ist bei geringwertigen, zum baldigen Verbrauch bestimmten Wirtschaftsgütern nicht der Fall.

Etwas anderes gilt nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs nur, wenn die vorgenommenen Zahlungen erforderlich waren, um einen sofortigen Zusammenbruch eines auch in der Insolvenz sanierungsfähigen Unternehmens zu verhindern. In diesen Fällen ist die Zahlung zur Abwendung eines größeren Schadens für die Gläubiger entschuldigt (§ 64 S. 2 GmbHG). Dieses war im konkreten Fall von dem beklagten Geschäftsführer aber nicht vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich.

Die Praxisempfehlung

Befindet sich eine GmbH in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, läuft bzw. laufen der/-en Geschäftsführer Gefahr, für die nach Eintritt der Insolvenzreife erfolgten Zahlungen persönlich zu haften. Treten wirtschaftliche Schwierigkeiten auf, sollte sich jeder Geschäftsführer unverzüglich anwaltlich beraten lassen, um diese persönliche Haftung zu vermeiden.

 

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