Recht der AG / GmbH: Wer haftet, wenn der Einpersonen-Gründer einer AG / GmbH seinen Gründungswillen endgültig aufgibt, aber bereits Verpflichtungen eingegangen ist?
25 Oktober

Recht der AG / GmbH: Wer haftet, wenn der Einpersonen-Gründer einer AG / GmbH seinen Gründungswillen endgültig aufgibt, aber bereits Verpflichtungen eingegangen ist?

OLG München, Urteil vom 09.08.2017, Az. 7 U 2663/16

Das Praxisproblem

Nicht jedes Startup ist erfolgreich, mitunter scheitern Unternehmensgründungen bereits im Gründungsstadium oder die Gründung wird – aus welchen Gründen auch immer – nicht weiter verfolgt.

Was aber geschieht, wenn im Gründungsstadium der Gesellschaft bereits Verpflichtungen begründet worden sind? Wer haftet für diese Verpflichtungen?

Die Entscheidung

Das Oberlandesgericht München hatte über einen Sachverhalt zu entscheiden, bei dem ein Gründer eine Aktiengesellschaft gründen wollte. Es kam zur Gründung der Aktiengesellschaft durch notarielle Urkunde. Der Gründer bestellte am gleichen Tage auch den ersten Aufsichtsrat der Gesellschaft. Der Aufsichtsrat der Gesellschaft bestellte, ebenfalls am gleichen Tage, den späteren Kläger für die Dauer eines Jahres zum ersten Vorstand der Gesellschaft.

Ebenfalls am gleichen Tage wurde dann von den Aufsichtsratsmitgliedern mit dem späteren Kläger einen Vorstandsdienstvertrag unterzeichnet.

Nachfolgend hat der Gründer von der Unternehmensgründung Abstand genommen. Das Grundkapital der Aktiengesellschaft wurde von dem Gründer nicht eingezahlt. Die Aktiengesellschaft wurde nicht in das Handelsregister eingetragen.

Der Vorstand erhielt die im Dienstvertrag vereinbarte Vergütung nicht. Er machte diese daraufhin klageweise gegen den Gründer persönlich geltend.

Nachfolgend ist der Dienstvertrag mit dem Vorstand durch den Gründer unter anderem wegen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage und nochmals wegen einer behaupteten verbotenen Konkurrenztätigkeit des Klägers, gekündigt worden. Der Kläger seinerseits kündigte später das Dienstverhältnis ebenfalls, weil er weiterhin keine Vergütung erhalten hatte.

Das Oberlandesgericht München hat mit seinem Urteil vom 09.08.2017 (Az. 7 U 2663/16) festgestellt, dass dem Kläger der Vergütungsanspruch dem Grunde nach zusteht. Das Gericht hat den Vergütungsanspruch lediglich der Höhe nach begrenzt.

Ist eine Aktiengesellschaft nach der notariellen Gründung aber noch vor der Eintragung im Handelsregister geschäftlich tätig, spricht man von einer sogenannten „Vor-AG“. Die „Vor-AG“ haftet mit ihrem eigenen Vermögen, so denn ein solches bereits gebildet worden ist.

Die Vor-AG kann auf zwei verschiedene Arten enden. Wenn die Vor-AG in das Handelsregister eingetragen wird erstarkt die Vor-AG zur Aktiengesellschaft. Die Vor-AG endet aber auch, wenn die Eintragung in das Handelsregister endgültig scheitert oder der Gründer den Gründungs- oder Eintragungswillen endgültig aufgegeben hat.

In diesen Fällen fallen das Vermögen und im Gegenzug auch die Verpflichtungen der Vor-AG per Gesetz an den Gründer. Ein gesonderter Liquidationsbeschluss war nicht notwendig. Hiernach haftet der Gründer im vorliegenden Sachverhalt persönlich.

Die von dem Gründer ausgesprochenen außerordentlichen Kündigungen des Dienstvertrages hat das Oberlandesgericht München als nicht wirksam angesehen, weil keine Kündigungsgründe vorlagen.

Das Oberlandesgericht hat die Haftung des Gründers allerdings nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage begrenzt. Es hat ausgeführt, dass die Nichteintragung der Gesellschaft in das Handelsregister aufgrund des Wegfalls des Eintragungswillens des Gründers in der Risikosphäre beider Parteien liegt. Das Gericht hat insoweit argumentiert, dass auch der Kläger gewusst habe, dass er einen Dienstvertrag mit einer Vor-AG abschließt. Der Kläger habe gewusst, dass die Vor-AG möglicherweise nicht in das Handelsregister eingetragen wird und zur Aktiengesellschaft erstarkt.

Das Oberlandesgericht hat angenommen, dass das Dienstverhältnis mit dem Kläger nach Maßgabe der Kündigungsfristen bei Dienstverhältnissen (§ 621 BGB) endet.

Exkurs: Eine entsprechende Haftung besteht auch bei der Gründung einer GmbH.

Die Praxisempfehlung

Bei der Gründung eines Unternehmens in der Rechtsform einer GmbH oder AG sollten Unternehmensgründer tunlichst davon absehen, bereits die Geschäfte aufzunehmen. Es droht eine persönliche Haftung des oder der Gründer/s, wenn die Gesellschaft – aus welchen Gründen auch immer – nicht in das Handelsregister eingetragen wird.

 

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