Besteht auch am Arbeitsplatz ein Anspruch auf Privatsphäre?
14 September

Besteht auch am Arbeitsplatz ein Anspruch auf Privatsphäre?

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), Urteil vom 05.09.2017, Beschwerde-Nummer 61496/08

Das Praxisproblem

In Arbeitsverträgen mit Arbeitnehmern wird häufig vereinbart, dass der Arbeitnehmer nicht berechtigt ist, den dienstlich ihm zur Verfügung gestellten Computer auch für private Zwecke zu nutzen.

Hierdurch will der Arbeitgeber in der Regel zum einen vermeiden, dass er bei einem Zugriff auf den Computer des Arbeitnehmers datenschutzrechtliche Bestimmungen verletzt. Zum anderen möchte er vermeiden, dass der Arbeitnehmer während der Arbeitszeit private Angelegenheiten regelt. Vor deutschen Gerichten wurde bereits mehrfach entschieden, dass bei einer übermäßigen privaten Nutzung des dienstlichen Computers während der Arbeitszeit z.B. für Chats oder Spiele der Arbeitgeber berechtigt sein kann, das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Gilt das aber auch, wenn der Arbeitnehmer nur gelegentlich privat chattet, auch wenn ihm dies vom Arbeitgeber untersagt wird?

Die Entscheidung

Die Straßburger Richter des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) mussten sich mit dem Fall eines rumänischen Ingenieurs beschäftigen.

Der Arbeitgeber hatte dem Arbeitnehmer einen dienstlichen PC zur Verfügung gestellt. Über Messenger-Dienste sollte er Kundenanfragen beantworten. Die private Nutzung des Computers war ihm untersagt worden. Dennoch verschickte der Arbeitnehmer an seinen Bruder und seine Verlobte Nachrichten, in denen es um seine Gesundheit und sein Sexualleben ging. Der Arbeitgeber hatte diese Nachrichten aufgezeichnet, ohne den Mitarbeiter zuvor hierüber zu informieren. Dem Arbeitnehmer wurde wegen dieser privaten Chats im August 2007 nach 3-jähriger Tätigkeit gekündigt. Der Arbeitnehmer wandte sich gegen die Kündigung, unterlag jedoch vor den rumänischen Gerichten.

Der EGMR rügte, dass durch die rumänischen Gerichte nicht ausreichend geprüft worden sei, ob der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber über die Kontrolle seiner E-Mail-Korrespondenz informiert wurde. Es sei auch nicht geprüft worden, ob der Arbeitnehmer über das Ausmaß der Überwachung bzw. Überprüfung und damit das Eindringen in das Privatleben und die private Korrespondenz des Arbeitnehmers unterrichtet war. Eine solche Unterrichtung hätte jedoch erfolgen müssen. Zudem hätten die rumänischen Gerichte prüfen müssen, ob eine so umfassende Überwachung, wie diese vom Arbeitgeber vorgenommen worden war, überhaupt gerechtfertigt war.

Legitime Gründe für die vorgenommene Überwachung konnte der Arbeitgeber nicht vortragen. Zudem hätte eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Unternehmens und dem Recht des Klägers auf Schutz seiner Privatsphäre vorgenommen werden müssen.

Der EGMR hielt die ausgesprochene Kündigung für rechtswidrig.

Praxisempfehlung

Auch das BAG hat bereits entschieden, dass Arbeitgeber die Tätigkeit ihrer Arbeitnehmer am Computer nicht uneingeschränkt überwachen dürfen. Der EGMR hat nunmehr konkretisiert, dass eine Überwachung nur dann zulässig ist, wenn der Arbeitgeber zum einen den Arbeitnehmer ausreichend über die Art und den Umfang der Überwachung unterrichtet und zum anderen ein legitimer Grund für die Überwachung vorliegt.

Im Ergebnis darf damit eine Kündigung wegen privater Chats des Arbeitnehmers während seiner Arbeitszeit nur dann ausgesprochen werden, wenn der Arbeitnehmer weiß, dass seine E-Mail-Korrespondenz überprüft wird. Hierauf sollte der Arbeitnehmer schriftlich mit Nachweis des Zugangs der Unterrichtung informiert werden. Jedoch darf eine Kündigung auch dann erst ausgesprochen werden, wenn die Überwachung des Arbeitnehmers durch vorliegende Gründe legitimiert ist. Ob eine Kündigung im Einzelfall wegen privater E-Mail-Korrespondenz zulässig ist, ist in jedem Einzelfall zu prüfen.

 

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Beate Puplick Fachanwältin für Arbeitsrecht

Fachanwältin für Familienrecht Wirtschaftsmediatorin

Cordula Zimmermann Fachanwältin für Arbeitsrecht

 

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