Haftet eine Arbeitnehmerin bei der Weitergabe von Codes aus Prepaid-Karten an Betrüger bei einer Identitätstäuschung?
14 September

Haftet eine Arbeitnehmerin bei der Weitergabe von Codes aus Prepaid-Karten an Betrüger bei einer Identitätstäuschung?

LAG Düsseldorf, Urteil vom 29.08.2017, 14 Sa 334/17

Das Praxisproblem

Arbeitnehmer haften im Fall grober Fahrlässigkeit oder bei Vorsatz auf den gesamten dem dem Arbeitgeber entstandenen Schaden.

Zwar ist allgemein bekannt, dass Geheimzahlen, Passwörter oder Codes zu keinem Zeitpunkt am Telefon weitergegeben werden sollen. Erfolgt eine solche Weitergabe durch einen Arbeitnehmer, ist grundsätzlich mindestens grobe Fahrlässigkeit anzunehmen. Anders ist die Rechtslage zu beurteilen, wenn eine Identitätstäuschung (sog. „Spoofing“) vorliegt. Hierbei wird dem Angerufenen vorgetäuscht, dass er mit einer auskunftsberechtigten Person telefoniert. Aber reicht das schon für den Ausschluss grober Fahrlässigkeit und damit den Ausschluss einer umfassenden Haftung?

Die Entscheidung

Die Arbeitnehmerin ist seit dem 21.06.2015 in Teilzeit als Kassiererin in einer Tankstelle beschäftigt. Sie wurde eingearbeitet. Dabei erhielt sie die Betriebsanweisung, Telefonkarten nicht am Telefon herauszugeben. Als die Arbeitnehmerin am 29.09.2015 in der Tankstelle arbeitete, erhielt sie um 22.49 Uhr einen Anruf von einer männlichen Person. Diese gab sich als Mitarbeiter einer Telefongesellschaft aus. Er erklärte, dass eine Systemumstellung vorgenommen werden solle. Mit dieser Telefonumstellung sei eine andere Firma, und zwar diejenige, die für die Betreuung des gesamten Betriebssystems der Tankstelle zuständig sei, beauftragt worden. Der Arbeitnehmerin wurde ein Anruf dieser anderen Firma avisiert.

Dementsprechend erhielt die Arbeitnehmerin in der Tankstelle um 22.51 Uhr einen Anruf einer weiteren männlichen Person. Sie gab sich als Mitarbeiter der beauftragten Firma aus. Der Anrufer erklärte der Mitarbeiterin, dass sämtliche 30-Euro-Prepaid-Telefonkarten durch neue ersetzt werden müssten. Daraufhin scannte die Arbeitnehmerin insgesamt 124 Prepaid-Karten zu je 30,00 € ein. Sie druckte die jeweils 14-stelligen Codes aus und gab dem Anrufer sämtliche Prepaid-Codes telefonisch bekannt. Bei den Anrufern handelte es sich um Betrüger. Es entstand ein Schaden von 3.720,00 €.

Die Polizei ermittelte, dass es sich um einen Fall des so genannten Spoofing handelte, bei dem eine falsche Telefonnummer des Anrufers angezeigt wird. Die Versicherung der Inhaberin der Tankstelle erstatteten den Schaden und nimmt nun die Arbeitnehmerin in Anspruch.

Das LAG hat den Anspruch jedoch zurückgewiesen.

Im vorliegenden Fall bestand die Besonderheit, dass die Parteien eine Ausschlussfrist vereinbart hatten. Diese Ausschlussfrist war von der Versicherung versäumt worden. Nach dem Vertrag konnte die Arbeitnehmerin daher nur noch wegen grober Fahrlässigkeit in Anspruch genommen werden. Eine solche grobe Fahrlässigkeit wurde von dem LAG jedoch verneint. Die Kassiererin habe, so das LAG, in der konkreten Situation die erforderliche Sorgfalt nicht in ungewöhnlich hohem Maße verletzt. Sie habe nicht verkannt, was jedem hätte sofort einleuchten müssen. Durch die doppelten Anrufe wurde Professionalität vorgetäuscht. Zudem habe in dem konkreten Fall bei der Eingabe der 124 Karten das System nicht wie sonst angefragt, ob die Eingabe aufgrund telefonischer Anfrage erfolgte. Aufgrund dessen und aufgrund der beiden Anrufe durfte die Kassiererin also davon ausgehen, dass alles seine Richtigkeit hatte und die Codes der Telefonkarten herausgeben.

Praxisempfehlung

Wir empfehlen, die Mitarbeiter eindringlich und im Idealfall schriftlich über die erheblichen Risiken bei der Weitergabe von Passwörtern, Codes und Geheimzahlen hinzuweisen. Gerade vor dem Hintergrund immer neuer und immer besser ausgeklügelter Betrugsmaschen auch und im Zusammenhang mit der Versendung von E-Mails sollten die Mitarbeiter bestmöglich und fortlaufend auf die Risiken hingewiesen und entsprechend sensibilisiert werden.

Wir stehen Ihnen gerne jederzeit beratend zur Verfügung. Sprechen Sie uns an!

 

Beate Puplick  Fachanwältin für Arbeitsrecht

Fachanwältin für Familienrecht Wirtschaftsmediatorin

Cordula Zimmermann Fachanwältin für Arbeitsrecht

 

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