Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen: Wann haftet der Betreiber eines Bewertungsportals für solche Äußerungen?
26 Juli

Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen: Wann haftet der Betreiber eines Bewertungsportals für solche Äußerungen?

Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.04.2017 – VI ZR 123/16

Das Praxisproblem

Bewertungsportale stellen eine gern genutzte Plattform für Erfahrungsberichte dar. Gerade im Bereich ärztlicher oder klinischer Tätigkeiten informieren sich potentielle Patienten zunehmend vorab über bestehende oder vermeintliche Eigenschaften eines Arztes oder einer Klinik. Unsachliche oder sogar falsche Tatsachenbehauptungen können dabei erheblichen wirtschaftlichen Schaden verursachen.

Wie können sich Ärzte und Kliniken gegen den Betreiber einer solchen „Plattform“ wehren?

Die Entscheidung

Der Bundesgerichtshof hatte einen Fall zu entscheiden, in welchem ein Patient in einer Privatklinik an der Nasenscheidewand operiert worden war. Nach Abschluss der klinischen Nachsorge traten sich nach und nach verschlechternde Auffälligkeiten auf, wobei schließlich durch eine andere Klinik eine lebensbedrohliche Sepsis mit akutem Leber- und Nierenversagen diagnostiziert wurde. Tatsächlich bestand aber kein Zusammenhang mit dem operativen Eingriff der Privatklinik.

Gleichwohl postete der Patient auf dem von der Beklagten betriebenen Bewertungsportal einen „Erfahrungsbericht“. Er behauptete, dass die Sepsis bei dem „Standardeingriff“ in der Klinik entstanden sei, was zu einem Multiorganversagen und einer mehrmonatigen Erblindung geführt hätte. Das Klinikpersonal sei mit lebensbedrohlichen Notfallsituationen überfordert gewesen. Es hätte akute Todesgefahr bestanden. Dies entsprach nicht den Tatsachen

Nachdem die Klinik die Betreiberin des Bewertungsportals mit Anwaltsschreiben zur Unterlassung der von dem Patienten geposteten Behauptungen aufforderte, nahm diese ohne Rücksprache eigene Änderungen an dem „Erfahrungsbericht“ des Patienten vor. Weiter Änderungen oder ein Löschen des Berichtes wollte sie nicht vornehmen. Daraufhin erhob die Klinik Klage auf Unterlassung gegen die Betreiberin des Bewertungsportals.

Mit Erfolg. Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass sich die Beklagte als Hostproviderin die unwahren Tatsachenbehauptungen zu eigen gemacht habe. Sie könne daher selbst als Störerin auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Die Betreiberin habe sich nicht darauf beschränkt, mit dem von ihr betriebenen Internetportal ein Forum für Meinungen und Behauptungen Dritter zur Verfügung zu stellen und diese unverändert zum Abruf bereitzuhalten. Darüber hinaus habe sich die Beklagte von diesen Äußerungen auch an keiner Stelle distanziert.

Ergänzend: Unmittelbarer Störer ist ein Portalbetreiber nur dann, wenn es sich bei der Bewertung um eigene Informationen handelt (§ 7 Abs. 1 TMG). Hierzu gehören aber auch solche, die durch Dritte eingestellt werden und bei denen der Portalbetreiber nach außen aus objektiver Sicht zu erkennen gibt, dass er sich deren Inhalt zu eigen macht.

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs war dieses in dem zu entscheidenden Sachverhalt spätestens dann der Fall, als die beklagte Betreiberin die Inhalte nach Rüge der Klinik überprüft und diese selbständig – ohne Rücksprache mit dem Patienten – abgeändert hat.

Damit hat die Portalbetreiberin die Rolle eines neutralen Vermittlers verlassen und eine aktive Rolle übernommen.

Die Praxisempfehlung

Bewertungen auf Internetportalen können ein großes Ärgernis sein. Sie sind aber nicht schutzlos. Soweit sich der Betreiber der Bewertungsplattform die Bewertung durch eine Veränderung oder Ergänzung zu eigen macht, kann ein Unterlassungsanspruch auch gegen den Betreiber der Bewertungsplattform bestehen. Dieses sollten Sie durch einen Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz überprüfen lassen.

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