Darlehensrecht: Bei einer krassen finanziellen Überforderung des mithaftenden Ehegatten wird die Sittenwidrigkeit des Darlehens vermutet.
26 Juli

Darlehensrecht: Bei einer krassen finanziellen Überforderung des mithaftenden Ehegatten wird die Sittenwidrigkeit des Darlehens vermutet.

Wie kann die Vermutung durch den Darlehensgeber widerlegt werden?

BGH, Urteil vom 15.11.2016, Az. X ZR 32/16

Das Praxisproblem

Regelmäßig verlangen Banken bei der Finanzierung von Immobilien die Einbindung des Ehepartners des Darlehensnehmers.

Die Banken wollen sich so gegen Vermögensverschiebungen zu ihren Lasten absichern und verpflichten die Ehepartner als Mitdarlehensnehmer, Mithaftende oder Bürgen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes wird – widerlegbar – vermutet, dass eine derartige Mitverpflichtung unwirksam ist, wenn der Mitverpflichtete finanziell krass überfordert ist.

Unter welchen Voraussetzungen kann der Darlehensgeber die Vermutung der Unwirksamkeit der Verpflichtung des Ehepartners widerlegen?

Die Entscheidung

Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Urteil vom 15.11.2016 (Az. X ZR 32/16) über einen Fall entschieden, bei dem ein Ehegatte für die Rückzahlung eines dem anderen Ehegatten gewährten Immobiliendarlehens für die Errichtung eines Mehrfamilienhauses die Mithaftung übernommen hat. Das Grundstück, auf welchem das Mehrfamilienhaus errichtet worden ist, stand ihm Alleineigentum des Darlehensnehmers. Die Ehefrau hatte kein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Darlehensgewährung. Sie wäre aus eigenen Mitteln auch nicht dazu in der Lage gewesen, das Darlehen zurückzuführen.

Nachfolgend verstarb der Ehemann. Die Ehefrau schlug das Erbe aus, ein durch das Gericht eingesetzte Nachlasspfleger stellte einen Nachlassinsolvenzantrag. Die Bank nahm daraufhin die mitverpflichtete Ehefrau in Anspruch.

Diese wendete ein, sie sei bei Abschluss des Darlehensvertrages für die Bank ersichtlich nicht dazu in der Lage gewesen, das Darlehen zurückzuführen. Dieses war unstreitig.

Das erstinstanzliche Gericht hatte die Klage in vollem Umfang abgegeben, das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht als Berufungsgericht der Klage teilweise stattgegeben. Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und, da der Sachverhalt nicht entscheidungsreif war, zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückgewiesen.

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung ausgeführt, dass trotz einer bestehenden krassen finanziellen Überforderung des mitverpflichteten Ehepartners die Vermutung der Sittenwidrigkeit der Mithaftungserklärung dann widerlegt ist, wenn der Darlehensnehmer für das Darlehen weitere Sicherheiten gewährt hat und sich die „Gefahr“ einer Inanspruchnahme des mitverpflichteten Ehepartners auf eine seine finanzielle Leistungsfähigkeit nicht übersteigende Ausfallhaftung beschränkt.

Dabei muss vertraglich geregelt sein, dass der Ehepartner erst dann und nur in Höhe seiner Leistungsfähigkeit in Anspruch genommen wird, wenn die anderen Sicherheiten des Darlehensnehmers verwertet worden sind.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist auch bei einer bestehenden krassen finanziellen Überforderung des mithaftenden Ehepartners ausnahmsweise dann keine Sittenwidrigkeit des Vertrages gegeben, wenn der Ehepartner ein gemeinsames Interesse mit dem Darlehensnehmer an der Kreditgewährung hat oder ihm aus der Verwendung der Darlehensvaluta unmittelbare und ins Gewicht fallende geldwerte Vorteile erwachsen.

Hierzu gehört insbesondere das Miteigentum an dem finanzierten Objekt. Nur mittelbare Vorteile, wie etwa eine Verbesserung des Lebensstandards oder der Wohnverhältnisse ändern an der Sittenwidrigkeit nichts.

Wie der Bundesgerichtshof ausgeführt hat, darf ein Darlehensgeber auch nicht ohne weiteres auf die Angaben des Darlehensnehmers zur finanziellen Leistungsfähigkeit des Mithaftenden im Rahmen einer Selbstauskunft vertrauen. Diese räumen den subjektiven Vorwurf der Sittenwidrigkeit nur dann aus, wenn sie auch einer sorgfältigen Überprüfung des Gläubigers standhalten.

Die Praxisempfehlung

Bei einem Darlehensvertrag führt die krasse finanzielle Überforderung eines mithaftenden Ehepartners nur zu einer widerlegbaren Vermutung der Sittenwidrigkeit der Mithaftungserklärung. Wird der Ehepartner in Anspruch genommen, bedarf es einer sorgfältigen Einzelfallprüfung zur Klärung der Frage, ob die Mithaftungserklärung sittenwidrig und damit unwirksam ist.

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