Welche Konsequenz ergibt sich für Unternehmen daraus, dass die Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages für das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (SOKA-BAU) für unwirksam erklärt wurde?
26 Juni

Welche Konsequenz ergibt sich für Unternehmen daraus, dass die Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages für das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (SOKA-BAU) für unwirksam erklärt wurde?

Das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe wird durch einen für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag geregelt.

Bei den Sozialkassen des Baugewerbes (SOKA-BAU) handelt es sich um gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes, der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt - IG BAU -, des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie e.V. - HDB - und des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes e.V. - ZDB.

Der das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe regelnde Tarifvertrag wurde vom BAG mit der nachfolgend dargestellten Entscheidung für unwirksam erklärt, da die für die Allgemeinverbindlicherklärung erforderliche Quote von 50 % zum Zeitpunkt der Allgemeinverbindlicherklärung im Mai 2012 nicht erreicht wurde. Ein Tarifvertrag darf nur dann für allgemeinverbindlich erklärt werden, wenn die tarifgebundenen Arbeitgeber mindestens 50 % der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer beschäftigen.

BAG, Beschluss vom 25.01.2017, Az. 10 ABR 43/15

Das Praxisproblem

Durch den für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag wird das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer geregelt. Die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse erbringt Leistungen im Urlaubs- und Berufsbildungsverfahren, die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes zusätzliche Altersversorgungsleistungen, die jeweils in gesonderten Tarifverträgen näher geregelt sind. Die Allgemeinverbindlicherklärung bewirkt, dass der Tarifvertrag nicht nur für die tarifgebundenen Mitglieder der Tarifvertragsparteien, sondern auch für alle anderen Arbeitgeber und Arbeitnehmer der Branche gilt. Somit sind auch alle anderen Arbeitgeber zur Beitragszahlung verpflichtet. Das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe finanziert sich über die Beiträge aller in diesem Bereich tätigen Arbeitgeber. Andererseits erhalten alle Arbeitgeber als auch deren Arbeitnehmer Leistungen von den Sozialkassen des Baugewerbes. Durch den Wegfall der Allgemeinverbindlicherklärung steht das gesamte Sozialkassenverfahren des Baugewerbes infrage.

 
Die Entscheidung

Die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes stritten über die Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) vom 03.05.2012 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV).

Antragsteller des Verfahrens waren überwiegend Arbeitgeber, die nicht Mitglied einer Arbeitgebervereinigung sind und deshalb nur auf der Grundlage der Allgemeinverbindlicherklärung zur Beitragszahlung herangezogen wurden. Sie machten geltend, dass die Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlicherklärung, nämlich das Erreichen der 50 %-Quote, nicht erreicht war. Zudem rügten sie, dass kein öffentliches Interesse für die Allgemeinverbindlicherklärung vorgelegen habe.

Das BAG hat in seinem Beschluss festgestellt, dass die Allgemeinverbindlicherklärung vom 03.05.2012 des VTV unwirksam sei. Die 50 %-Quote war nicht erreicht.

Die Feststellung der Unwirksamkeit der AVE VTV 2012 gilt gegenüber jedermann.

Das bedeutet, dass ab 2012 nur die tarifgebundenen Arbeitgeber beitragspflichtig sind. Alle anderen Arbeitgeber der Baubranche sind ab 2012 nicht verpflichtet, Beiträge zu leisten.

Dies gilt auch für die Allgemeinverbindlicherklärung des VTV vom 03.05.2013 (BAG, Beschluss vom 25.01.2017, Az. 10 ABR 34/15).

Bereits durch die Beschlüsse vom 21.09.2016 zum Az. 10 ABR 33/15 und 10 ABR 48/15 war die Unwirksamkeit der AVE VTV 2008 und 2010 sowie 2014 festgestellt worden.

In der Konsequenz hätten die nicht tarifgebundenen Arbeitgeber ihre für diese Jahre gezahlten Beiträge zurückfordern können. Für die Zukunft hätte keine Zahlungsverpflichtung bestanden.

Der Bundestag hat auf der Grundlage dieser Beschlüsse am 26.01.2017 das Gesetz zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 16.05.2017 beschlossen (Bundesgesetzblatt Teil I 2017 Nr. 29 24.05.2017 S. 1210). Das Gesetz trat am 25.05.2017 in Kraft. Die Rechtsnormen der unzulässigerweise für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge wurden kraft Gesetzes für gültig erklärt. Damit sollen die Regelungen zur Altersversorgung und zur Urlaubsregelung im Baugewerbe, sowie für alle sonstigen Sozialkassenverfahren im Baugewerbe trotz Wegfall der tarifvertraglichen Regelung für gültig erklärt werden.

Arbeitgebern steht daher aufgrund dieses Gesetzes kein Erstattungsanspruch wegen zunächst ohne Rechtsgrundlage gezahlter Beiträge zu. Sie haben auch zukünftig Beiträge zu zahlen.

 
Praxisempfehlung

Das Gesetz zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 16.05.2017 steht in der Kritik. Es regelt einen Einzelfall und soll rückwirkend gelten. Einzelfallgesetze und Gesetze mit Rückwirkung sind jedoch grundsätzlich nicht verfassungsgemäß. Gegner des Gesetzes, insbesondere die Beteiligten der oben dargestellten Beschlussverfahren, haben bereits angekündigt, gerichtliche Schritte gegen das Gesetz einzulegen.

Wir empfehlen daher, soweit Sie zu Beitragszahlungen von den Sozialkassen im Baugewerbe aufgefordert werden, diese unter Vorbehalt zu überweisen. Jede Überweisung sollte also den Zusatz erhalten:

„Die Zahlung erfolgt unter dem Vorbehalt der Rechtswirksamkeit der Beitragsforderung.“

Wir stehen Ihnen gerne jederzeit beratend zur Verfügung. Sprechen Sie uns an!

Beate Puplick  Fachanwältin für Arbeitsrecht
Fachanwältin für Familienrecht Wirtschaftsmediatorin
Cordula Zimmermann Fachanwältin für Arbeitsrecht

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