Darf also die Ehefrau, die der Arbeitnehmer nach dem Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusage heiratet, von der Hinterbliebenenversorgung ausgeschlossen werden?
Betriebsrenten werden in der Regel aufgrund eines Vertrages zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer gewährt. Da es sich nicht um individuell mit jedem einzelnen Arbeitnehmer ausgehandelte Verträge handelt, werden die Klauseln dieser Verträge als Allgemeine Geschäftsbedingungen betrachtet. Nach der Einführung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes zum 01.01.2002 unterliegen vertragliche Klauseln auch für Arbeitsverhältnisse der gerichtlichen Kontrolle, damit auch Klauseln einer Versorgungszusage.
BAG, Urteil vom 21.02.2017, Az. 3 AZR 297/15
Das Praxisproblem
Werden vom Arbeitgeber für eine Vielzahl von Fällen Verträge gefertigt und weichen diese vertraglichen Regelungen, die Allgemeine Geschäftsbedingungen darstellen, von den rechtlichen Vorgaben der für diese Art von Verträgen geltenden Vertragstypik ab, unterliegen diese Abweichungen der uneingeschränkten Inhaltskontrolle durch die Gerichte. Die Inhaltskontrolle erfolgt nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Ist eine Regelung unwirksam, kann eine ergänzende Vertragsauslegung erfolgen. Sie erfolgt jedoch nur in den Fällen, wenn auch für den Verwender der vertraglichen Regelungen, das Festhalten am Vertrag eine unzumutbare Härte darstellt.
Werden also Standardverträge im Arbeitsrecht, z.B. Arbeitsverträge, Verträge zur Nutzung eines Dienstwagens oder Versorgungszusagen abgeändert, oder werden neue Regelungen eingefügt, unterliegen diese im vollen Umfang der gerichtlichen Überprüfung, wenn die Änderung oder Einfügung für eine Vielzahl von Verträgen erfolgt. Ist eine Regelung unwirksam, entfällt sie ersatzlos. Nur in Fällen, in denen ein Festhalten an der Klausel eine unzumutbare Härte darstellt, kann seitens der Gerichte eine ergänzende Vertragsauslegung erfolgen.
Die Entscheidung
Der Kläger war in der Zeit von Februar 1974 bis einschließlich Oktober 1986 in einer Werft beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Werft. Mit Wirkung zum 01.07.1983 erteilte die Arbeitgeberin dem Kläger eine Versorgungszusage. In der Regelung zur Witwenrente heißt es:
„Nach ihrem Tod erhält Ihre jetzige Ehefrau eine lebenslängliche Witwenrente unter der Voraussetzung, dass die Ehe zwischenzeitlich nicht geschieden wird.“
Am 08.04.2006 heiratete der Kläger seine zweite Ehefrau.
Er nimmt den Pensions-Sicherungs-Verein als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung in Anspruch. Er wollte gerichtlich feststellen lassen, dass seiner Ehefrau, mit der er zum Zeitpunkt seines Ablebens verheiratet ist, eine Witwenrente zusteht. Er begehrte die Feststellung, dass die Regelung in dem Versorgungsvertrag sich nicht ausschließlich auf die Ehefrau, mit der er zum Zeitpunkt der Erteilung der Zusage am 01.07.1983 verheiratet war, bezieht.
Das BAG hat diese Rechtsauffassung des Klägers bestätigt. Das BAG ist der Auffassung, dass die Klausel, dass nur die Ehefrau, die mit dem Kläger zum Zeitpunkt der Erteilung der Zusage am 01.07.1983 verheiratet war, nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unangemessen und daher unwirksam ist. Es bestünden keine berechtigten Gründe für eine derartige Einschränkung der Witwenrente. Damit wäre die Klausel unwirksam und würde ersatzlos entfallen.
Die Erteilung der Zusage erfolgte jedoch im Jahr 1983. Allgemeine Geschäftsbedingungen in Arbeitsverhältnissen fallen erst ab 2002 unter die AGB-Kontrolle. Eine solche AGB-Kontrolle war 1983 gesetzlich noch nicht vorgesehen. Deswegen sei eine ergänzende Vertragsauslegung geboten.
Diese Vertragsauslegung führt, so das BAG, dazu dass die Ehefrau einen Anspruch auf eine Witwenrente hat, mit der der Kläger während des Arbeitsverhältnisses verheiratet war. Es kommt also nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt an. Da der Kläger seine zweite Ehefrau erst nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses heiratete, hat sie keinen Anspruch auf die betriebliche Witwenrente.
Praxisempfehlung
Beabsichtigen Sie, Standardverträge abzuändern, so sollten Sie die Abänderung zuvor einer juristischen Überprüfung unterziehen, damit diese Abänderung im Falle einer gerichtlichen Überprüfung nicht für unwirksam erklärt wird.
Wir stehen Ihnen gerne jederzeit beratend zur Verfügung. Sprechen Sie uns an!
Beate Puplick Fachanwältin für Arbeitsrecht
Fachanwältin für Familienrecht Wirtschaftsmediatorin
Cordula Zimmermann Fachanwältin für Arbeitsrecht