Kann sich ein Tiefbauunternehmer auf vorgelegte Bestandspläne eines Versorgungsunternehmens verlassen – oder besteht eine weitergehende Erkundungspflicht der Bodenverhältnisse?
23 Mai

Kann sich ein Tiefbauunternehmer auf vorgelegte Bestandspläne eines Versorgungsunternehmens verlassen – oder besteht eine weitergehende Erkundungspflicht der Bodenverhältnisse?

OLG Brandenburg Urteil vom 05.04.2017, Az. 4 U 24/16

Privates Baurecht – Tiefbauunternehmen, Bauvertragliche Pflichten, Erkundigungspflicht, Schadenersatz

 

Das Praxisproblem

Werden innerhalb von bebauten Gebieten, insbesondere im Bereich von öffentlichen Straßen und Wegen Tiefbauarbeiten durchgeführt, besteht ein hohes Gefahrenpotential, dass dort verlegte Infrastruktur, wie Gas-, Strom- und Wasserleitungen beschädigt werden und es dadurch zu weiteren Schäden kommt. Das Haftungsrisiko für das ausführende Bauunternehmen ist daher groß.

Die Entscheidung

Das beklagte Tiefbauunternehmen hatte sich vor Beginn der Arbeiten beim örtlichen Versorger einen Bestandsplan beschafft. Gleichwohl kam es im Anschluss zu der Beschädigung einer Schmutzwasserleitung, die in den Bestandsplänen des Versorgungsunternehmens nicht eingezeichnet war.

Der Versorger nahm das ausführende Bauunternehmen auf Schadenersatz mit dem Argument in Anspruch, dass bei Tiefbauarbeiten besondere Sorgfalt erforderlich und stets mit nicht bekannten Leitungen zu rechnen sei. Zudem sei dem Tiefbauunternehmen ein entsprechendes Merkblatt ausgehändigt worden, welches auf diese Problematik hinwies.

Die Klage blieb im Ergebnis ohne Erfolg. Für eine Inanspruchnahme des Tiefbauunternehmens fehlte es nach der Auffassung des Oberlandesgerichts Brandenburg an einem notwendigen Verschulden.

Schuldhaft handelt, wer eine Gefahrenlage - gleich welcher Art – schafft und es dabei unterlässt, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. An diese Verkehrssicherungspflichten werden für Bauunternehmen im Hinblick auf die Pflicht, sich vor der Durchführung von Erdarbeiten an öffentlichen Straßenflächen nach der Existenz und dem Verlauf unterirdisch verlegter Versorgungsleitungen zu erkundigen, hohe Anforderungen gestellt

Dem sei das Tiefbauunternehmen jedoch im konkreten Fall auch ausreichend nachgekommen, nachdem es sich die Bestandspläne des Versorgungsunternehmens vorab beschafft hatte. Es war auch nicht gehalten, weitere Erkundigungen dahingehend einzuholen, ob in dem Bestandsplan (überhaupt) nicht eingetragene Leitungen vorhanden sind. Dies kann sich auch nicht aus dem Merkblatt des Versorgers ergeben, nachdem dies nicht geeignet ist, den gesetzlichen Haftungsbereich des Bauunternehmens zu erweitern.

Im konkreten Fall bestand darüber hinaus Kenntnis eines Mitarbeiters des Versorgers über die nicht eingezeichnete Leitung. Dies musste sich das Versorgungsunternehmen zurechnen lassen, so dass ein mögliches Verschulden des Tiefbauunternehmens völlig hinter dem des Versorgers zurückgetreten wäre.

Die Praxisempfehlung

1.    Für alle gefahrgeneigten Arbeiten gilt: Die Anforderungen an die bestehende Verkehrssicherungspflicht sind zwingend einzuhalten. Gerade bei einem hohen Schadenspotential sind alle Möglichkeiten auszuschöpfen, sich vorab über mögliche Gefahrenquellen zu informieren.
2.    Zu Recht weist das Oberlandesgericht daraufhin, dass eine solche Pflicht nicht grenzenlos gelten kann. Der Inhalt von Bestandsplänen schafft einen Vertrauenstatbestand, auf welchen sich das Bauunternehmen zutreffend berufen kann.
3.    Prüfen Sie, ob Sie in Ihrem Unternehmen die administrativen Voraussetzungen im Betriebsablauf geschaffen sind, um

    Gefahren rechtzeitig zu erkennen und
    die notwendigen und ergriffenen Maßnahmen rechtssicher dokumentieren zu können.

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