Fernabsatzgeschäft auch bei Wohnraummiete: Kann der Mieter seine schriftliche Zustimmung zum Mieterhöhungsverlangen widerrufen?
23 Mai

Fernabsatzgeschäft auch bei Wohnraummiete: Kann der Mieter seine schriftliche Zustimmung zum Mieterhöhungsverlangen widerrufen?

LG Berlin, Urteil vom 10.03.2017 – 63 S 248/16

Wohnraummietrecht – Mieterhöhungsverlangen, Fernkommunikationsmittel, Widerruf



Das Praxisproblem

Nachdem sich die Mietparteien im Rahmen des Mieterhöhungsverlangens des Vermieters nach § 558 Abs. 1 BGB und der notwendigen Zustimmung des Mieters auf eine geänderte Miete einigen, stellt dies für die Vertragsparteien ein Rechtsgeschäft im laufenden Vertragsverhältnis dar. Häufig erfolgen die Aufforderung des Vermieters und die Zustimmung des Mieters schriftlich auf dem Postweg. Handelt es sich um einen gewerblichen Vermieter, stellt sich das Problem, dass es sich um Fernabsatzgeschäft im Sinne des § 312c BGB handeln könnte, woraus sich ein Widerrufsrecht des Mieters ergibt.

Die Entscheidung

Ohne dass die Parteien sonst Kontakt gehabt hätten, hatte die gewerbliche Vermieterin an den Mieter ein schriftliches Mieterhöhungsverlangen bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete übersandt und sich ordnungsgemäß auf den geltenden Mietspiegel berufen. Einen Hinweis auf ein Fernabsatzvertrag oder ein Widerrufsrecht des Mieters enthielt dieses Schreiben nicht. Der Mieter hatte dem Mieterhöhungsverlangen zunächst zugestimmt, erklärte aber kurz darauf den Widerruf. Die Vermieterin vertrat die Auffassung, ein Widerrufsrecht würde nicht bestehen, der Mieter klagte auf Rückzahlung der unter Vorbehalt bezahlten erhöhten Miete.

Das Landgericht gab dem Vermieter recht, nachdem zu dem Ergebnis gekommen war, dass es sich es im konkreten Fall um kein Fernabsatzgeschäft im Sinne des § 312c BGB gehandelt hat.

Dabei hatte das Landgericht jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Bestimmung der §§ 312 ff. über Verbraucherverträge auch für Mietverträge zwischen gewerblichen Vermieter und Wohnraummieter, insbesondere auch für ein nachträgliches Mieterhöhungsverlangen gelten. Die Anwendung des § 312c BGB scheiterte nach Auffassung des Gerichts letztendlich aber daran, dass der Vermieter nicht den Anschein gesetzt hatte, mit „einer größeren oder zumindest nicht von vornherein individualisierten Anzahl von Verbrauchern Verträge im Fernabsatzwege zu schließen.“

Die Praxisempfehlung

1.    Beachten Sie: § 312c BGB enthält eine widerlegliche Vermutung zu Gunsten des Verbrauchers dass es sich bei einem mit Hilfe von Fernkommunikationsmitteln geschlossenem Rechtsgeschäft um einen Fernabsatzvertrag handelt. Dies hat der Unternehmer zu widerlegen.
2.    Nur ein ausreichend individualisiertes Mieterhöhungsverlangen kann den Anschein eines Fernabsatzvertrages bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen widerlegen. Dies kann bei Mieterhöhungsverlangen auf Grundlage eines Mietspiegels der Fall sein, nachdem die Wohnung in den Mietspiegel konkret eingeordnet werden muss.
3.    Gleichwohl: Lassen Sie als gewerblicher Vermieter prüfen, ob bei Ihnen die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen eines Fernabsatzgeschäftes gegeben sind.

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