08 September

Wann sind die in einem Bebauungsplan festgelegten Baugrenzen nachbarschützend?

OVG Lüneburg, Beschluss vom 18.06.2015,Az. 1 ME 77/15

Das Praxisproblem

In Bebauungsplänen werden unter anderem die Grenzen der Bebauung auf den jeweiligen Grundstücken, so genannte „Baufenster" festgesetzt, welche vorgeben, in welchen Bereichen Gebäude errichtet werden dürfen.

Hält sich der Eigentümer des betreffenden Grundstückes nicht an die Vorgaben und baut ganz oder teilweise außerhalb des „Baufensters", stellt sich die Frage, ob Nachbarn daraus Abwehrrechte herleiten können.

Die Praxisentscheidung

In dem Sachverhalt, welcher der Entscheidung zugrunde lag, war die Antragstellerin Eigentümerin eines Endgrundstückes einer Reihenhauszeile. Auf dem südlich davon gelegenen Flurstück sah der Bebauungsplan eine Bebauung mit Wohnhäusern in viergeschossiger Bauweise vor. Es waren zwei Baufenster festgesetzt welche von den Abmessungen die Errichtung von länglichen Mehrfamilienhäusern zuließen.

Das nördliche Baufenster verlief in etwa im rechten Winkel zur Grundstücksgrenze der Antragstellerin.

Die Antragsgegnerin, die zuständige Bauaufsichtsbehörde, erteilte der Eigentümerin des Nachbargrundstückes die Baugenehmigung zur Errichtung zweier Mehrfamilienhäusern mit vier Vollgeschossen und einem Dachgeschoss. Die Antragsgegnerin gestattete der Eigentümerin des Nachbargrundstückes ferner, das nördliche Gebäude gegenüber dem Baufenster entgegen dem Uhrzeigersinn gedreht zu errichten, so dass sich das Gebäude teilweise außerhalb des Baufensters befand.

Die Nordwestecke des Gebäudes näherte sich danach bis auf 7,9 m dem Grundstück der Antragstellerin an. An der Westseite des Gebäudes waren im Norden, in der Mitte und im Süden Balkone vorgesehen.

Die Antragstellerin erhob gegen die Baugenehmigung Widerspruch und beantragte bei dem zuständigen Verwaltungsgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Baugenehmigung. Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ab.

Dagegen erhob die Antragstellerin Beschwerde bei dem OVG. Die Antragstellerin begründete die Beschwerde damit, dass sich aus der Errichtung des Gebäudes Einsichtsmöglichkeiten für Ihr Reihenhausgrundstück ergeben. Dies gelte insbesondere für die Balkone des Nachbarhauses.

Ferner habe sich die Nachbarin nicht an die vorgegebenen Baugrenzen gehalten. Diese seien nachbarschützend.

Das OVG wies die Beschwerde zurück. Ein Verstoß gegen die nach dem Bauordnungsrecht zu beachtenden und nachbarschützenden Abstandsflächen liege nicht vor.

Die Festsetzung von „Baufenstern" in einem Bebauungsplan sei nur dann drittschützend, wenn sich dafür Anhaltspunkte aus dem Bebauungsplan ergeben. Andernfalls dienen diese allein gestalterischen Gesichtspunkten.

Ein solcher planerischer Wille der Gemeinde zum Schutz der Nachbarn sei hier nicht erkennbar.

Die Bebauung verstoße auch nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Insbesondere halte das Gebäude die vorgegebenen Grenzabstände ein.

Der Praxishinweis

Die Festlegung von so genannten „Baufenstern" ist nur dann nachbarschützend, wenn dies ausdrücklich in dem betreffenden Bebauungsplan vorgesehen ist. Andernfalls kann sich der Nachbar nur gegen die Bebauung eines Grundstückes wenden, wenn die Grenzabstandsflächen nach dem Bauordnungsrecht, der so genannte „Bauwich“, nicht eingehalten werden.

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Dr. Alexander Puplick, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Fachanwalt für Verwaltungsrecht

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