08 September

Wohnungseigentumsrecht - Haften die übrigen Wohnungseigentümer im Fall des Sanierungsstaus bei unterbliebener Beschlussfassung?

BGH, Urteil vom 17.10.2014 – V ZR 9/14

Das Praxisproblem

Gerade in kleinen Wohnungseigentümergemeinschaften kommt es nicht selten zum Streit über die Erforderlichkeit von Sanierungsmaßnahmen im Gemeinschaftseigentum.

Dies insbesondere dann, wenn nur ein Eigentümer Vorteile von der Maßnahme hat. Fraglich ist daher zum einen, ob ein Anspruch auf Sanierung des Gemeinschaftseigentums für jeden einzelnen Wohnungseigentümer besteht und wer haftet, wenn die erforderlichen Beschlüsse hierzu nicht gefasst oder mehrheitlich abgelehnt werden.

Die Entscheidung

In der vorliegenden Entscheidung war die Kellergeschosswohnung durch eindringendes Bodenwasser aufgrund undichter Wände bereits erheblich beschädigt und nicht mehr nutzbar. Der Bundesgerichtshof hat dabei nochmals folgende Grundsätze herausgestellt:

Gemäß § 21 Abs. 4 WEG kann jeder Wohnungseigentümer eine Verwaltung (der Gemeinschaft) verlangen, die den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit solche nicht bestehen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen - mit anderen Worten ordnungsmäßiger Verwaltung - entspricht.

Zu der ordnungsmäßigen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entsprechenden Verwaltung gehört gemäß § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG insbesondere die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums. Allerdings haben die Wohnungseigentümer insoweit einen Gestaltungsspielraum; sie müssen das Gebot der Wirtschaftlichkeit beachten und im Grundsatz auf die Leistungsfähigkeit der Wohnungseigentümer Rücksicht nehmen. Deshalb sind sie berechtigt, Kosten und Nutzen einer Maßnahme gegeneinander abzuwägen und nicht zwingend erforderliche Maßnahmen ggf. zurückzustellen.

Ist jedoch die sofortige Instandsetzung zwingend erforderlich, so entspricht nur ihre Vornahme billigem Ermessen; in diesem Fall hat ein einzelner Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Durchführung gemäß § 21 Abs. 4 WEG.

Dabei hatte das Berufungsgericht einen Anspruch des Sondereigentümers auf Sanierung der Kellerwände noch mit einer Überschreitung der Opfergrenze für die übrigen Miteigentümer abgelehnt. Diese Auffassung hat der Bundesgerichtshof im konkreten Fall zurück gewiesen:

„Entspricht nur die sofortige Vornahme der zur Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlichen Sanierungsmaßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung, ist für die Berücksichtigung finanzieller Schwierigkeiten (oder des Alters) einzelner Wohnungseigentümer kein Raum.“

Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof das Verhalten der übrigen Miteigentümer, die entweder gegen eine solche Maßnahme gestimmt oder sich enthalten haben, als pflichtwidrig betrachtet und diese und nicht die Gemeinschaft als solches zum Schadenersatz verpflichtet angesehen.

Der Praxishinweis

  1. Sanierungsmaßnahmen in Wohnungseigentümergemeinschaften sind unter anderem dann nicht einfach durchzusetzen, wenn nur bestimmte Wohnungseigentümer hiervon einen Vorteil haben. Prüfen Sie daher bereits bei Erwerb einer Eigentumswohnung den Sanierungsbedarf der Immobilie insgesamt. Auch ein Einblick in die Verwaltungsunterlagen und die Beschlusssammlung der Gemeinschaft ist vor dem Erwerb zwingend anzuraten.
     
  2. Besteht ein solcher unabdingbarer und unaufschiebbarer Sanierungsbedarf, haben grundsätzlich alle Miteigentümer die hierfür erforderlichen Kosten zu tragen und einer solchen Maßnahme zuzustimmen. Verweigern sie eine solche Zustimmung, können sie sich schadensersatzpflichtig machen.
     
  3. Wohnungseigentumsrechtliche Fragen sind nicht einfach zu klären. Hierfür bestehen besondere gesetzliche Regelungen und eine Vielzahl von Einzelfallentscheidungen der Gerichte.

Wir stehen Ihnen gerne jederzeit beratend zur Verfügung. Sprechen Sie uns an!

Dr. Alexander Puplick, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Fachanwalt für Verwaltungsrecht

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